III-7

Richtlinie 94/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Verpackungen und Verpackungsabfälle

Vom 20. Dezember 1994

(ABl. 1994 Nr. L 365/10), zul. geänd. durch Art. 1 der RL (EU) 2018/852 vom 30. Mai 2018 (ABl. 2018 Nr. L 150/141, ber. durch ABl. 2018 Nr. L 306/72 vom 30.11.2018)
Änderungshistorienicht-amtliches Inhaltsverzeichnis

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 100a,

auf Vorschlag der Kommission1,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses2,

gemäß dem Verfahren des Artikel 189b des Vertrags3,

in Erwägung nachstehender Gründe:

Die unterschiedlichen Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Bereich der Verpackungen und der Verpackungsabfallbewirtschaftung sind zu harmonisieren, um einerseits Auswirkungen dieser Abfälle auf die Umwelt zu vermeiden oder solche Auswirkungen zu verringern und so ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen und andererseits das Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten und zu verhindern, daß es in der Gemeinschaft zu Handelshemmnissen und Wettbewerbsverzerrungen und -beschränkungen kommt.

Die beste Art, Verpackungsabfall zu vermeiden, ist die Verringerung der Gesamtmenge an Verpackungen.

Angesichts der Ziele dieser Richtlinie ist es wichtig, grundsätzlich darauf zu achten, daß die zum Schutz der Umwelt getroffenen Maßnahmen eines Mitgliedstaats die anderen Mitgliedstaaten nicht daran hindern, die Ziele der Richtlinie zu erreichen.

Die Verringerung der Abfallmengen ist eine unabdingbare Voraussetzung für das ausdrücklich im Vertrag über die Europäische Union genannte beständige Wachstum.

Diese Richtlinie soll alle Arten von im Verkehr befindlichen Verpackungen und alle Verpackungsabfälle erfassen. Deshalb ist die Richtlinie 85/339/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über Verpackungen für flüssige Lebensmittel4 aufzuheben.

Verpackungen sind von grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedeutung; deshalb dürfen die in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen andere wichtige Rechtsvorschriften nicht berühren, die die Qualität und die Beförderung von Verpackungen und verpackten Erzeugnissen regeln.

Entsprechend der in der Entschließung des Rates vom 7. Mai 1990 über die Abfallpolitik5 enthaltenen Gemeinschaftsstrategie für die Abfallbewirtschaftung sowie der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle6 umfaßt die Verpackungs- und die Verpackungsabfallwirtschaft als erste Priorität die Vermeidung von Verpackungsabfall und als weitere Hauptprinzipien die Wiederverwendung der Verpackungen, die stoffliche Verwertung und die anderen Formen der Verwertung der Verpackungsabfälle sowie als Folge daraus eine Verringerung der einer endgültigen Beseitigung zuzuführenden Abfälle.

Bis wissenschaftliche und technologische Ergebnisse im Bereich der Verwertung vorliegen, sind die Wiederverwendung und die stoffliche Verwertung hinsichtlich ihrer Umweltauswirkungen vorzuziehen. Aus diesem Grunde sind in den Mitgliedstaaten Rückgabesysteme für gebrauchte Verpackungen und/oder Verpackungsabfälle einzurichten. Lebenszyklusuntersuchungen müssen so bald wie möglich abgeschlossen werden, um eine klare Rangfolge der wiederverwendbaren, der stofflich und der anderweitig verwertbaren Verpackungen zu rechtfertigen.

Zur Vermeidung von Verpackungsabfällen sind geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die die in den Mitgliedstaaten in Übereinstimmung mit den Zielen dieser Richtlinie ergriffenen Initiativen einschließen.

Die Mitgliedstaaten können Systeme für die Wiederverwendung von Verpackungen, die umweltverträglich wiederverwendet werden können, im Einklang mit dem Vertrag fördern, und damit den Beitrag dieser Methode zum Umweltschutz ausnutzen.

Aus umweltpolitischer Sicht ist die stoffliche Verwertung als ein wesentlicher Teil der Verwertung anzusehen, insbesondere um dem Verbrauch an Energie und an Primärrohstoffen zu verringern und die einer endgültigen Beseitigung zuzuführenden Abfälle zu reduzieren.

Die energetische Verwertung ist eine wirksame Methode zur Verwertung von Verpackungsabfällen.

Für die Zielvorgaben der Mitgliedstaaten in bezug auf die Verwertung und die stoffliche Verwertung von Verpakkungsabfällen sollten Spannen vorgesehen werden, um den unterschiedlichen Situationen in den Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen und zu vermeiden, daß Handelshemmnisse und Wettbewerbsverzerrungen geschaffen werden.

Damit mittelfristig Ergebnisse erzielt und Marktteilnehmern, Verbrauchern und Behörden die erforderlichen längerfristigen Perspektiven gegeben werden, ist es angemessen, eine mittlere Frist zur Erreichung der obengenannten Zielvorgaben und eine längere Frist für Zielvorgaben vorzusehen, die zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt werden sollten, damit eine erhebliche Erhöhung dieser Zielvorgaben erfolgen kann.

Der Rat und das Europäische Parlament sollten aufgrund von Berichten der Kommission die Erfahrungen, die in den Mitgliedstaaten bei der Verwirklichung der vorgenannten Zielvorgaben gesammelt wurden, sowie die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung und der Evaluierungstechniken wie beispielsweise der Ökobilanzen prüfen.

Den Mitgliedstaaten, die Programme aufgestellt haben oder aufstellen werden, die über diese Zielvorgaben hinausgehen, ist zu gestatten, diese Zielvorgaben im Interesse eines hohen Umweltschutzniveaus unter der Bedingung weiterzuverfolgen, daß die Maßnahmen nicht zu Verzerrungen des Binnenmarktes führen und die anderen Mitgliedstaaten nicht daran hindern, ihren Verpflichtungen aus dieser Richtlinie nachzukommen. Die Kommission sollte solche Maßnahmen nach angemessener Prüfung billigen.

Auf der anderen Seite kann bestimmten Mitgliedstaaten aufgrund ihrer besonderen Situation gestattet werden, niedrigere Zielvorgaben zu beschließen, sofern sie innerhalb der normalen Frist eine Mindestzielvorgabe für die Verwertung und nach einer längeren Frist die einheitlichen Zielvorgaben erfüllen.

Die Vermeidung und Verwertung von Verpackungen und Verpackungsabfällen erfordert die Einrichtung von Rücknahme-, Sammel- und Verwertungssystemen in den Mitgliedstaaten. An diesen Systemen können sich alle betroffenen Seiten beteiligen. Sie müssen so beschaffen sein, daß Importprodukte keine Benachteiligung erfahren und gemäß dem Vertrag keine Handelshemmnisse oder Wettbewerbsverzerrungen entstehen und daß die größtmögliche Rückgabe von Verpackungen und Verpackungsabfall sichergestellt wird.

Die Frage der Kennzeichnung von Verpackungen auf Gemeinschaftsebene bedarf weiterer Prüfung, sollte von der Gemeinschaft jedoch in naher Zukunft entschieden werden.

Um die Auswirkungen von Verpackungen und Verpakkungsabfällen auf die Umwelt möglichst gering zu halten und Handelshemmnisse und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, ist es ferner erforderlich, die grundlegenden Anforderungen an die Zusammensetzung der Verpackungen und die Möglichkeiten für ihre Wiederverwendung und – auch stoffliche – Verwertung festzulegen.

Es ist notwendig, den Gehalt an schädlichen Metallen und sonstigen Substanzen in Verpackungen wegen ihrer Umweltauswirkungen zu begrenzen (da diese insbesondere bei Verbrennung durch Emissionen freigesetzt werden oder in der Asche enthalten sein oder bei Deponierung in Sickerwasser gelangen können). Um die Toxizität von Verpackungsabfällen zu vermindern, ist es notwendig, zunächst die Verwendung schädlicher Schwermetalle zu vermeiden oder zu kontrollieren, daß sich diese Elemente nicht in der Umwelt ausbreiten, wobei angemessene Ausnahmen in besonderen Fällen vorgesehen werden, die von der Kommission gemäß dem Ausschußverfahren festgelegt werden.

Die Einzelsortierung von Abfall an der Quelle ist entscheidend, um ein hohes Wiederverwertungsniveau zu erreichen und Gesundheits- und Sicherheitsprobleme für die Personen, die Verpackungsabfälle sammeln und aufbereiten, zu verhindern.

Die Anforderungen für die Herstellung von Verpackungen gelten nicht für Verpackungen, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie für die Herstellung eines bestimmten Erzeugnisses verwendet wurden. Ein Übergangszeitraum für das Inverkehrbringen von Verpackungen ist ebenfalls erforderlich.

Bei der Festlegung des Zeitpunktes für die Durchführung der Vorschrift über das Inverkehrbringen von Verpackungen, die alle grundlegenden Anforderungen erfüllen, ist der Tatsache Rechnung zu tragen, daß derzeit europäische Normen durch das zuständige Normungsgremium aufgestellt werden. Die Vorschriften über den Nachweis der Übereinstimmung der einzelstaatlichen Normen sollten jedoch unverzüglich Anwendung finden.

Die Aufstellung europäischer Normen für die grundlegenden Anforderungen und andere diesbezügliche Größen wird gefördert.

Zu den in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen gehört die Entwicklung von Kapazitäten für die Verwertung – einschließlich der stofflichen Verwertung – und von Absatzmöglichkeiten für verwertete Verpackungsmaterialien.

Die Verwendung von verwertetem Material für Verpakkungen darf nicht im Widerspruch zu den einschlägigen Vorschriften in bezug auf Hygiene, Gesundheits- und Verbraucherschutz stehen.

Gemeinschaftsweite Daten über Verpackungen und Verpackungsabfälle werden benötigt, um dazu beizutragen, daß die Verwirklichung der Ziele dieser Richtlinie überwacht werden kann.

Von größter Wichtigkeit ist, daß allen an der Herstellung, Verwendung, Einfuhr und Verteilung von Verpackungen und verpackten Erzeugnissen Beteiligten stärker bewußt wird, in welchem Maße die Verpackungen zu Abfall werden, und daß sie nach dem Verursacherprinzip die Verantwortung für diesen Abfall übernehmen. Die Ausarbeitung und Durchführung der in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen umfaßt und erfordert im gegebenen Fall die enge Zusammenarbeit aller Partner im Geiste geteilter Verantwortung.

Die Verbraucher spielen bei der Vermeidung und Verwertung von Verpackungen und Verpackungsabfällen eine wesentliche Rolle und müssen deshalb angemessen informiert werden, damit sie ihr Verhalten und ihre Haltung anpassen können.

Zur wirksamen Durchführung dieser Richtlinie wird die Aufnahme eines besonderen Kapitels über Verpackungen und Verpackungsabfallbewirtschaftung in die Abfallbewirtschaftungspläne beitragen, die nach der Richtlinie 75/442/EWG erforderlich sind.

Um die Verwirklichung der Ziele dieser Richtlinie zu erleichtern, kann es für die Gemeinschaft und für die Mitgliedstaaten erforderlich sein, auf marktwirtschaftliche Instrumente gemäß dem Vertrag zurückzugreifen, um neue Formen des Protektionismus zu vermeiden.

Unbeschadet der Richtlinie 83/189/EWG des Rates vom 28. März 1983 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften7 sollten die Mitgliedstaaten die Entwürfe der von ihnen geplanten Maßnahmen vor ihrer Annahme der Kommission vorlegen, damit ermittelt werden kann, ob sie dieser Richtlinie entsprechen.

Die Anpassung des Verpackungs-Identifizierungssystems und der Tabellen für ein Datenbanksystem an den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt sollte von der Kommission nach einem Ausschußverfahren sichergestellt werden.

Es ist erforderlich, die Möglichkeit besonderer Maßnahmen zur Lösung etwaiger Schwierigkeiten bei der Durchführung dieser Richtlinie vorzusehen; hierbei sollte gegebenenfalls das gleiche Ausschußverfahren Anwendung finden –

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:


1

ABl. Nr. C 263 vom 12. 10. 1992, S. 1 und ABl. Nr. C 285 vom 21. 10. 1993, S. 1.

2

ABl. Nr. C 129 vom 10. 5. 1993, S. 18.

3

Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 23. Juni 1993 (ABl. Nr. C 194 vom 19. 7. 1993, S. 177), gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 4. März 1994 (ABl. Nr. C 137 vom 19. 5. 1994, S. 65) und Beschluß des Europäischen Parlaments vom 4. Mai 1994 (ABl. Nr. C 205 vom 25. 7. 1994, S. 163). Bestätigt am 2. Dezember 1993 (ABl. Nr. C 342 vom 20. 12. 1993, S. 15). Gemeinsamer Entwurf des Vermittlungsausschusses vom 8. November 1994.

4

ABl. Nr. L 176 vom 6. 7. 1985, S. 18. Richtlinie geändert durch die Richtlinie 91/629/EWG (ABl. Nr. L 377 vom 31. 12. 1991, S. 48).

5

ABl. Nr. C 122 vom 18. 05. 1990, S. 2.

6

ABl. Nr. L 194 vom 25. 7. 1975, S. 39. Richtlinie geändert durch die Richtlinie 91/156/EWG (ABl. Nr. L 78 vom 26. 3. 1991, S. 32).

7

ABl. Nr. L 109 vom 26. 4. 1983, S. 8. Richtlinie zuletzt geändert durch die Richtlinie 92/400/EWG (ABl. Nr. L 221 vom 6. 8. 1992, S. 55).