IV 7.60

Verordnung (EURATOM, EG) Nr. 2185/96 des Rates betreffend die Kontrollen und Überprüfungen vor Ort durch die Kommission zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vor Betrug und anderen Unregelmäßigkeiten

Vom 11. November 1996

(ABl. Nr. L 292/2)
nicht-amtliches Inhaltsverzeichnis

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION –

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 235,

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 203,

auf Vorschlag der Kommission1,

nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments2,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1) Eine verstärkte Bekämpfung des Betrugs und sonstiger Unregelmäßigkeiten zu Lasten des Gemeinschaftshaushalts ist zur Wahrung der Glaubwürdigkeit der Gemeinschaft von wesentlicher Bedeutung.

(2) Aus Artikel 209 a des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ergibt sich, daß unbeschadet anderer Vertragsbestimmungen in erster Linie die Mitgliedstaaten für den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaften verantwortlich sind.

(3) Die Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften hat einen gemeinsamen rechtlichen Rahmen für alle Tätigkeitsbereiche der Gemeinschaft geschaffen.

(4) Artikel 1 Absatz 2 der genannten Verordnung enthält eine Definition des Begriffs „Unregelmäßigkeit“; nach dem sechsten Erwägungsgrund jener Verordnung umfassen die Verhaltensweisen, die Unregelmäßigkeiten darstellen, betrügerische Praktiken im Sinne des Übereinkommens über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften.3

(5) Artikel 10 der genannten Verordnung sieht den späteren Erlaß zusätzlicher allgemeiner Bestimmungen für die Kontrollen und Überprüfungen vor Ort vor.

(6) Unbeschadet der von den Mitgliedstaaten nach Artikel 8 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 durchgeführten Kontrollen sind im Bemühen um ein wirksames Vorgehen zusätzliche allgemeine Bestimmungen für die von der Kommission durchzuführenden Kontrollen und Überprüfungen vor Ort zu erlassen, die die Anwendung der sektorbezogenen Gemeinschaftsregelungen gemäß Artikel 9 Absatz 2 der vorgenannten Verordnung nicht berühren.

(7) Die Umsetzung der Vorschriften der vorliegenden Verordnung hängt von der Festlegung von Zielen ab, die ihre Anwendung rechtfertigen, vor allem, wenn diese Ziele aufgrund des Umfangs des Betrugsdelikts, das grenzüberschreitende Formen annimmt und häufig von kriminellen Organisationen begangen wird, oder aufgrund der speziellen Situation in einem Mitgliedstaat angesichts der Schwere des Schadens zum Nachteil der finanziellen Interessen der Gemeinschaften und der Glaubwürdigkeit der Union von den Mitgliedstaaten allein nicht in vollem Umfang erreicht werden können und daher besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können.

(8) Die Kontrollen und Überprüfungen vor Ort dürfen nicht über das Maß hinausgehen, das notwendig ist, um eine ordnungsgemäße Anwendung des Gemeinschaftsrechts sicherzustellen.

(9) Im übrigen sind sie unbeschadet der in dem jeweiligen Mitgliedstaat geltenden Vorschriften über den Schutz der wesentlichen Sicherheitsinteressen dieses Staates durchzuführen.

(10) Nach dem in Artikel 5 des EG-Vertrags verankerten Grundsatz der Gemeinschaftstreue und im Hinblick auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ist es wichtig, daß die Verwaltungen der Mitgliedstaaten und die Dienststellen der Kommission loyal zusammenarbeiten und einander bei der Vorbereitung und Durchführung der Kontrollen und Überprüfungen vor Ort im erforderlichen Umfang unterstützen.

(11) Es sind die Bedingungen festzulegen, unter denen die Kontrolleure der Kommission ihre Befugnisse ausüben.

(12) Diese Kontrollen und Überprüfungen vor Ort sind unter Wahrung der Grundrechte der betreffenden Personen sowie unter Einhaltung der Vorschriften für das Amtsgeheimnis und den Schutz personenbezogener Daten durchzuführen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, daß die Kommission dafür sorgt, daß ihre Kontrolleure die gemeinschaftlichen und einzelstaatlichen Bestimmungen über den Schutz personenbezogener Daten einhalten; dies gilt insbesondere für die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr4.

(13) Zur Gewährleistung einer wirksamen Bekämpfung des Betrugs und sonstiger Unregelmäßigkeiten müssen die Kontrollen der Kommission bei den Wirtschaftsteilnehmern, die mittelbar oder unmittelbar an der betreffenden Unregelmäßigkeit beteiligt sein könnten, sowie bei anderen möglicherweise davon betroffenen Wirtschaftsteilnehmern durchgeführt werden. Bei Anwendung der Bestimmungen dieser Verordnung hat die Kommission dafür Sorge zu tragen, daß bei dem betreffenden Wirtschaftsteilnehmer nicht gleichzeitig aus denselben Gründen von der Kommission oder den Mitgliedstaaten ähnliche Kontrollen und Überprüfungen im Rahmen sektorbezogener Gemeinschaftsregelungen oder einzelstaatlicher Rechtsvorschriften durchgeführt werden.

(14) Die Kontrolleure der Kommission müssen unter denselben Bedingungen wie die Kontrolleure der einzelstaatlichen Verwaltungen Zugang zu allen Informationen über die untersuchten Vorgänge erhalten. Die Berichte der Kontrolleure der Kommission, die gegebenenfalls von den einzelstaatlichen Kontrolleuren unterschrieben werden, müssen unter Berücksichtigung der verfahrenstechnischen Erfordernisse des Rechts des betreffenden Mitgliedstaats erstellt werden; sie müssen als zulässige Beweismittel in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren des Mitgliedstaats, in dem sich ihre Verwendung als erforderlich erweist, verwendet werden können und als gleichwertig mit den Berichten der Kontrolleure der einzelstaatlichen Verwaltungen gelten.

(15) In den Fällen, in denen eine Gefahr der Beseitigung von Beweismitteln besteht oder in denen die Wirtschaftsteilnehmer sich einer Kontrolle oder Überprüfung durch die Kommission vor Ort widersetzen, ist es Sache der Mitgliedstaaten, im Einklang mit ihren jeweiligen Rechtsvorschriften die jeweils notwendigen Sicherungs- bzw. Durchführungsmaßnahmen zu treffen.

(16) Diese Verordnung berührt weder die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Ahndung von Straftaten noch die Vorschriften über die Rechtshilfe zwischen den Mitgliedstaaten in Strafsachen.

(17) Die Verträge enthalten für die Annahme dieser Verordnung keine anderen Befugnisse als die des Artikels 235 des EG-Vertrags sowie des Artikels 203 des Euratom-Vertrags –

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:


1

ABl. Nr. C 84 vom 21. 3. 1996, S. 10.

2

ABl. Nr. C 166 vom 10. 6. 1996, S. 102, und Stellungnahme vom 23. Oktober 1996 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

3

ABl. Nr. C 316 vom 27. 11. 1995, S. 48.

4

ABl. Nr. L 281 vom 23. 11. 1995, S. 31.