Vorwort

Anlässlich eines Praxisbesuches einer Auszubildenden zur Pflegefachfrau in einer stationären Pflegeeinrichtung wurde ich einst Zeuge folgender Situation:

Eine alte Dame rief einer vorbeihuschenden Pflegekraft „Schwester, ich muss auf die Toilette!“ zu. Im Weiterlaufen antwortete die Pflegekraft: „Komme gleich!“ Die von mir betreute Auszubildende hatte sich gerade ins Lager begeben, um Material zu holen und stand nicht zur Hilfeleistung zur Verfügung. Da ich als betriebsfremde Person nicht intervenieren durfte, wartete ich mit der Seniorin auf die schon erwähnte Pflegekraft, die „gleich“ kommen wollte. Schließlich suchte ich die Pflegekraft und fand sie im Stationszimmer. Ich teilte ihr mit, dass die alte Dame nun wirklich zur Toilette müsse, worauf ich zu hören bekam: „Da kann nichts passieren, sie hat eine Windel an!“

Eigentlich dachte ich, dass Aussagen dieser Art schon lange aus dem Pflegealltag verbannt wären und man sich angesichts eines doch bekannten Expertenstandards zur Förderung der Harnkontinenz nun durchaus in der Lage sehen sollte, die Bitte nach einem Toilettengang ernst zu nehmen. Doch da irrte ich sichtlich. Insofern ist es sehr zu begrüßen, dass die Kontinenzförderung nunmehr mit der zweiten Aktualisierung des Expertenstandards wieder in den Fokus rückt und sich manche Pflegekräfte wieder daran erinnern, wie erniedrigend es sein muss, seine Ausscheidung nicht selbständig vornehmen zu können und von anderen abhängig zu sein. Ich hoffe und wünsche mir sehr, dass die Empfehlungen des aktualisierten Expertenstandards auf fruchtbaren Boden fallen.

Dezember 2024

Joachim Berga Seitenwechsel