II 12.2

Verordnung (EG) Nr. 999/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Vorschriften zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung bestimmter transmissibler spongiformer Enzephalopathien

Vom 22. Mai 2001

(ABl. 2001 Nr. L 147/1), zul. geänd. durch Art. 1 der VO (EU) 2022/2246 vom 15.11.2022 (ABl. 2022 Nr. L 295/1)
nicht-amtliches Inhaltsverzeichnis

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION –

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 152 Absatz 4 Buchstabe b),

auf Vorschlag der Kommission1,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses2,

nach Anhörung des Ausschusses der Regionen,

gemäß dem Verfahren des Artikels 251 des Vertrags3,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1) Seit mehreren Jahren ist das Auftreten diverser transmissibler spongiformer Enzephalopathien (TSE) getrennt beim Menschen und beim Tier festgestellt worden. Die spongiforme Rinderenzephalopathie (BSE) wurde beim Rind erstmals 1986 erkannt, und in den folgenden Jahren ist festgestellt worden, dass die Krankheit auch bei anderen Tierarten vorkommt. 1996 ist erstmals eine neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD) beschrieben worden. Die Beweise hinsichtlich der Ähnlichkeit des BSE-Erregers mit dem der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit werden immer zahlreicher.

(2) Seit 1990 hat die Gemeinschaft eine Reihe von Maßnahmen erlassen, um die Gesundheit von Mensch und Tier gegen BSE zu schützen. Diese Maßnahmen stützten sich auf die Schutzklauseln der Richtlinien zur Regelung der Veterinärkontrollen. Angesichts des Ausmaßes der gesundheitlichen Gefährdung von Mensch und Tier durch bestimmte TSE sollten spezifische Vorschriften zu deren Verhütung, Kontrolle und Tilgung erlassen werden.

(3) Diese Verordnung ist von unmittelbarem Belang für die Gesundheit der Bevölkerung und bezieht sich auf das Funktionieren des Binnenmarktes. Sie betrifft sowohl in Anhang I des Vertrags aufgeführte als auch dort nicht aufgeführte Erzeugnisse. Es empfiehlt sich daher, Artikel 152 Absatz 4 Buchstabe b) des Vertrags als Rechtsgrundlage zu wählen.

(4) Die Kommission hat insbesondere beim Wissenschaftlichen Lenkungsausschuss und beim Wissenschaftlichen Ausschuss für Veterinärmaßnahmen im Zusammenhang mit der Gesundheit der Bevölkerung wissenschaftliche Gutachten zu verschiedenen TSE-Aspekten eingeholt. Einige dieser Gutachten betreffen Maßnahmen, die die potenzielle Gesundheitsgefährdung von Mensch und Tier durch den Kontakt mit Produkten infizierter Tiere mindern sollen.

(5) Diese Vorschriften sollten für die Produktion und das Inverkehrbringen von lebenden Tieren und tierischen Erzeugnissen gelten. Sie brauchen jedoch nicht zu gelten für kosmetische Mittel, Arzneimittel, Medizinprodukte und ihre Ausgangsmaterialien oder Zwischenprodukte, für die andere Sondervorschriften, insbesondere über die Nichtverwendung von spezifizierten Risikomaterialien, gelten. Sie sollten ferner nicht gelten für tierische Erzeugnisse, die die Gesundheit von Mensch und Tier nicht gefährden, weil sie nicht zur Verwendung in Nahrungs-, Futter- oder Düngemitteln bestimmt sind. Es muss dagegen sichergestellt werden, dass unter diese Richtlinie fallende tierische Erzeugnisse von anderen Erzeugnissen getrennt gehalten werden, es sei denn, letztere erfüllen zumindest dieselben Gesundheitsstandards.

(6) Es sollte vorgesehen werden, dass die Kommission Schutzmaßnahmen treffen kann, wenn die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats oder eines Drittlands im Falle eines TSE-Risikos keine angemessenen Maßnahmen getroffen hat.

(7) Es sollte ein Verfahren festgelegt werden, nach dem anhand der verfügbaren Informationen der BSE-Status eines Mitgliedstaats, eines Drittlands oder eines ihrer Gebiete (nachstehend „Länder oder Gebiete“ genannt) auf der Grundlage des Inzidenzrisikos (englisch: „incident risk“), des Ausbreitungsrisikos sowie des Expositionsrisikos für den Menschen festgestellt werden kann. Mitgliedstaaten oder Drittländer, die keinen Antrag auf Feststellung ihres BSE-Status stellen, sollten von der Kommission auf der Grundlage aller ihr zur Verfügung stehenden Informationen in eine Statusklasse eingeteilt werden.

(8) Die Mitgliedstaaten sollten für alle an der Verhütung und Bekämpfung von TSE beteiligten Personen sowie für Tierärzte, Landwirte und für Personen, die beruflich mit dem Transport, der Vermarktung und der Schlachtung landwirtschaftlicher Nutztiere zu tun haben, Schulungsprogramme durchführen.

(8a) Die Verfütterung von bestimmten von Nichtwiederkäuern stammenden verarbeiteten tierischen Proteinen an Nichtwiederkäuer sollte unter Beachtung des Verbots der Verwertung innerhalb derselben Tierarten gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Oktober 2002 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte4 sowie der Kontrollaspekte insbesondere im Zusammenhang mit der Differenzierung von verarbeiteten artenspezifischen Tierproteinen entsprechend der von der Kommission am 15. Juli 2005 angenommenen Mitteilung über den Fahrplan zur TSE-Bekämpfung zugelassen werden.

(9) Es ist notwendig, dass die Mitgliedstaaten jedes Jahr ein Programm zur Überwachung von BSE und Scrapie durchführen und der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten seine Ergebnisse sowie jedes Auftreten einer anderen TSE mitteilen.

(10) Bestimmte Wiederkäuergewebe sollten auf der Grundlage der TSE-Pathogenese und des Seuchenstatus des Herkunfts- oder Haltungslandes des betreffenden Tieres bzw. seines Herkunfts- oder Haltungsgebietes als spezifizierte Risikomaterialien ausgewiesen werden. Spezifizierte Risikomaterialien sollten ohne Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier entfernt und entsorgt werden. Es darf insbesondere nicht in den Verkehr gelangen, um bei der Herstellung von Nahrungs-, Futter- oder Düngemitteln verwendet zu werden. Es sollte jedoch in Aussicht genommen werden, dass mittels eines TSE-Tests an einzelnen Tieren, sobald dieser Test uneingeschränkt validiert worden ist, ein gleichwertiges Gesundheitsschutzniveau erreicht werden kann. Außer in Ländern oder Gebieten mit niedrigstem BSE-Risiko dürfen Schlachtmethoden, bei denen die Gefahr besteht, dass andere Gewebe mit Gehirnmasse kontaminiert werden, nicht zugelassen werden.

(11) Es sollten Maßnahmen getroffen werden, um die Übertragung von TSE-Erregern auf Menschen oder Tiere durch ein Verbot der Verfütterung bestimmter Arten von tierischem Eiweiß an bestimmte Tierkategorien und der Verwendung bestimmter Wiederkäuermaterialien in Lebensmitteln zu verhindern. Diese Verbote sollten in einem angemessenen Verhältnis zu den Risiken stehen.

(11a) In der Entschließung vom 28. Oktober 20045 hat das Europäische Parlament seine Besorgnis im Hinblick auf die Verfütterung tierischer Proteine an Wiederkäuer geäußert, da diese nicht Bestandteil der natürlichen Nahrung von adulten Rindern sind. Im Zuge der BSE-Krise und der Krise aufgrund der Maul- und Klauenseuche ist man zunehmend zu der Überzeugung gekommen, dass die menschliche und tierische Gesundheit am besten sichergestellt werden kann, wenn die Tiere so gehalten und gefüttert werden, wie es den besonderen Merkmalen der verschiedenen Arten entspricht. Gemäß dem Vorsorgeprinzip und unter Beachtung der natürlichen Ernährung und Lebensweise von Wiederkäuern ist es daher notwendig, das Verbot der Verfütterung tierischer Proteine an Wiederkäuer in Formen, die normalerweise nicht Bestandteil ihrer natürlichen Nahrung sind, aufrechtzuerhalten.

(11b) Separatorenfleisch erhält man dadurch, dass das Fleisch von den Knochen so getrennt wird, dass die Muskelfaserstruktur zerstört oder verändert wird. Es kann Teile der Knochen oder des Periosteum (Knochenhaut) enthalten. Daher ist Separatorenfleisch nicht mit normalem Fleisch zu vergleichen. Seine Verwendung für den menschlichen Verzehr sollte deshalb überprüft werden.

(12) TSE-verdächtige Tiere sollten der zuständigen Behörde gemeldet werden, die unverzüglich alle geeigneten Maßnahmen trifft und insbesondere die Verbringung des verdächtigen Tieres einschränkt, bis die Ergebnisse der Untersuchung vorliegen, oder seine Schlachtung unter amtlicher Überwachung veranlasst. Kann die zuständige Behörde die Möglichkeit einer TSE nicht ausschließen, so sollte sie angemessene Untersuchungen einleiten und die betreffenden Tierkörper in amtliche Verwahrung nehmen, bis die Diagnose feststeht.

(13) Bei amtlicher Bestätigung eines TSE-Falles sollte die zuständige Behörde alle erforderlichen Maßnahmen treffen, insbesondere die Beseitigung des Tierkörpers, die Durchführung einer Untersuchung zur Ermittlung aller gefährdeten Tiere und die Einschränkung der Verbringung der Tiere und tierischen Erzeugnisse, bei denen ein Risiko festgestellt wurde. Die Eigentümer sollten unverzüglich für den Verlust von Tieren und die Vernichtung von tierischen Erzeugnissen im Rahmen dieser Verordnung entschädigt werden.

(14) Die Mitgliedstaaten sollten Notfallpläne erstellen, in denen die Maßnahmen festgelegt sind, die auf nationaler Ebene beim Auftreten von BSE zu treffen sind. Die Pläne sind von der Kommission zu genehmigen. Es sollte vorgesehen werden, diese Bestimmung auf andere TSE als BSE auszudehnen.

(15) Es sollten Vorschriften für das Inverkehrbringen von bestimmten lebenden Tieren und tierischen Erzeugnissen festgelegt werden. Die bestehenden Gemeinschaftsregeln über die Kennzeichnung und Registrierung von Rindern sehen ein System vor, das es ermöglicht, im Einklang mit den internationalen Normen die Muttertiere und Herkunftsbestände von Tieren zu ermitteln. Für Rindereinfuhren aus Drittländern sollten gleichwertige Garantien zur Auflage gemacht werden. Unter die genannten Regeln fallende Tiere und tierische Erzeugnisse sollten im innergemeinschaftlichen Handel und bei der Einfuhr aus Drittländern mit den in den Gemeinschaftsregeln vorgesehenen Bescheinigungen versehen sein, gegebenenfalls mit den in dieser Verordnung vorgesehenen Ergänzungen.

(16) Das Inverkehrbringen von bestimmten tierischen Erzeugnissen, die von Rindern aus besonders gefährdeten Gebieten gewonnen wurden, sollte verboten werden. Bestimmte tierische Erzeugnisse, die unter kontrollierten Bedingungen von Tieren gewonnen werden, von denen nachweislich kein großes TSE-Infektionsrisiko ausgeht, sollten jedoch von der Regelung ausgenommen werden.

(17) Um die Einhaltung der Vorschriften zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung von TSE zu gewährleisten, sollten Laborproben entnommen werden, die dann auf der Grundlage eines im Voraus erstellten Protokolls, aus dem sich ein vollständiges Bild der epidemiologischen TSE-Situation ermitteln lässt, auf TSE untersucht werden. Im Interesse einheitlicher Testmethoden und Laborbefunde sollten nationale und gemeinschaftliche Referenzlabors geschaffen sowie zuverlässige wissenschaftliche Methoden, die auch Schnelldiagnosetests zur TSE-Erkennung umfassen, eingeführt werden. Soweit irgend möglich, sollten Schnelltests durchgeführt werden.

(18) Um eine einheitliche Durchführung der Vorschriften zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung von TSE zu gewährleisten, sollten in den Mitgliedstaaten gemeinschaftliche Kontrollen durchgeführt werden, und es sollte auch die Anwendung von Prüfverfahren vorgesehen werden. Um sicherzustellen, dass die von Drittländern bei der Einfuhr von lebenden Tieren und tierischen Erzeugnissen in die Gemeinschaft beizubringenden Garantien den einschlägigen Garantieanforderungen der Gemeinschaft gleichwertig sind, sollte die Gemeinschaft Inspektionen und Kontrollen an Ort und Stelle durchführen, um zu überprüfen, ob Ausfuhrdrittländer die einschlägigen Einfuhrbedingungen erfüllen.

(19) Handelsvorschriften in Bezug auf TSE sollten sich auf internationale Normen, Leitlinien oder Empfehlungen stützen, sofern es solche gibt. Es können jedoch andere wissenschaftlich fundierte Maßnahmen erlassen werden, die zu einem höheren Gesundheitsschutzniveau führen, wenn mit den auf den einschlägigen internationalen Normen, Leitlinien oder Empfehlungen basierenden Maßnahmen ein angemessenes Gesundheitsschutzniveau nicht erreicht werden kann.

(20) Diese Verordnung sollte im Anschluss an neue wissenschaftliche Erkenntnisse überprüft werden.

(21) Im Rahmen dieser Verordnung sollten die erforderlichen Übergangsmaßnahmen vorgesehen werden, insbesondere für die Regelung der Verwendung von spezifizierten Risikomaterialien.

(22) Die zur Durchführung dieser Verordnung erforderlichen Maßnahmen sollten gemäß dem Beschluss 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse6 erlassen werden.

(23) Zum Zweck der Durchführung dieser Verordnung sollten Verfahren für eine enge und effiziente Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten im Ständigen Veterinärausschuss, im Ständigen Futtermittelausschuss und im Ständigen Lebensmittelausschuss festgelegt werden.

(24) Da es sich bei den zur Durchführung dieser Verordnung erforderlichen Maßnahmen um Maßnahmen von allgemeiner Tragweite im Sinne von Artikel 2 des Beschlusses 1999/468/EG handelt, sollten diese Maßnahmen nach dem in Artikel 5 des genannten Beschlusses vorgesehenen Regelungsverfahren erlassen werden –

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:


1

ABl. C 45 vom 19. 2. 1999, S. 2 und ABl. C 120 E vom 24. 4. 2001, S. 89.

2

ABl. C 258 vom 10. 9. 1999, S. 19.

3

Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 17. Mai 2000 (ABl. C 59 vom 23. 2. 2001, S. 93), Gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 12. Februar 2001 (ABl. C 88 vom 19. 3. 2001, S. 1) und Beschluss des Europäischen Parlaments vom 3. Mai 2001.

4

ABl. L 273 vom 10. 10. 2002, S. 1. Zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 208/2006 der Kommission (ABl. L 36 vom 8. 2. 2006, S. 25).

5

ABl. C 174 E vom 14. 7. 2005, S. 178

6

ABl. L 184 vom 17. 7. 1999, S. 23.