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Verordnung (EG) Nr. 1331/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über ein einheitliches Zulassungsverfahren für Lebensmittelzusatzstoffe, -enzyme und -aromen

Vom 16. Dezember 2008

(ABl. 2008 Nr. L 354/1), zul. geänd. durch Art. 6 der VO (EU) 2019/1381 vom 20.6.2019 (ABl. 2019 Nr. L 231/1)
Änderungshistorienicht-amtliches Inhaltsverzeichnis

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION –

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 95,

auf Vorschlag der Kommission,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses1,

gemäß dem Verfahren des Artikels 251 des Vertrags2,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1) Der freie Verkehr mit sicheren und bekömmlichen Lebensmitteln ist ein wichtiger Aspekt des Binnenmarkts und trägt wesentlich zum Schutz der Gesundheit und des Wohlergehens der Bürger und zur Wahrung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Interessen bei.

(2) Bei der Durchführung der Politik der Gemeinschaft ist ein hohes Maß an Schutz für Leben und Gesundheit des Menschen zu gewährleisten.

(3) Zum Schutz der menschlichen Gesundheit müssen Zusatzstoffe, Enzyme und Aromen zur Verwendung in Lebensmitteln vor dem Inverkehrbringen in der Gemeinschaft einer Bewertung auf ihre Sicherheit unterzogen werden.

(4) Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Lebensmittelzusatzstoffe3, Verordnung (EG) Nr. 1332/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Lebensmittelenzyme4 und die Verordnung (EG) Nr. 1334/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Aromen und bestimmte Lebensmittelzutaten mit Aromaeigenschaften zur Verwendung in und auf Lebensmitteln5 (im Folgenden als „sektorale Lebensmittelvorschriften“ bezeichnet) legen einheitliche Kriterien und Anforderungen für die Bewertung und Zulassung der genannten Stoffe fest.

(5) Insbesondere ist vorgesehen, dass Lebensmittelzusatzstoffe, Lebensmittelenzyme sowie Lebensmittelaromen, sofern die Lebensmittelaromen einer Sicherheitsbewertung gemäß Verordnung (EG) Nr. 1334/2008 [über Aromen und bestimmte Lebensmittelzutaten mit Aromaeigenschaften zur Verwendung in und auf Lebensmitteln] unterzogen werden müssen, nur dann – in Übereinstimmung mit den jeweiligen sektoralen lebensmittelrechtlichen Vorschriften – in Verkehr gebracht und in Lebensmitteln verwendet werden dürfen, wenn sie in einer Gemeinschaftsliste der zugelassenen Stoffe aufgeführt sind.

(6) Die Sicherstellung von Transparenz bei der Herstellung und der Behandlung von Lebensmitteln ist von entscheidender Bedeutung, um das Vertrauen der Verbraucher aufrechtzuerhalten.

(7) In diesem Zusammenhang erscheint es angezeigt, ein einheitliches Bewertungs- und Zulassungsverfahren der Gemeinschaft für diese drei Kategorien von Stoffen einzuführen, das effizient, zeitlich begrenzt und transparent ist und so den freien Verkehr dieser Stoffe im Binnenmarkt erleichtert.

(8) Dieses einheitliche Verfahren muss auf den Grundsätzen der guten Verwaltungspraxis und der Rechtssicherheit beruhen und unter Beachtung dieser Grundsätze umgesetzt werden.

(9) Die vorliegende Verordnung vervollständigt den Rechtsrahmen für die Zulassung dieser Stoffe durch die Festlegung der verschiedenen Stufen des Verfahrens, der entsprechenden Fristen, der Rolle der Verfahrensbeteiligten und der zu beachtenden Grundsätze. Für bestimmte Aspekte des Verfahrens müssen allerdings die Besonderheiten der Rechtsvorschriften für die einzelnen Lebensmittelsektoren berücksichtigt werden.

(10) Die auf das Verfahren anwendbaren Fristen berücksichtigen die Zeit, die zur Prüfung der in den einzelnen sektoralen Lebensmittelvorschriften festgesetzten Kriterien erforderlich ist, und lassen eine angemessene Zeit für Konsultationen bei der Vorbereitung der Maßnahmenentwürfe. Insbesondere die Frist von neun Monaten, die der Kommission zur Vorlage eines Verordnungsentwurfs zur Aktualisierung der Gemeinschaftsliste eingeräumt wird, sollte nicht ausschließen, dass dies auch binnen einer kürzeren Frist geschehen kann.

(11) Bei Eingang eines Antrags sollte die Kommission das Verfahren einleiten und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (nachstehend „Behörde“ genannt), die durch die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit6 errichtet wurde, sofern erforderlich, so rasch wie möglich nach Prüfung der Zulässigkeit und Relevanz des Antrags um ein Gutachten ersuchen.

(12) Gemäß dem Rahmen für die Risikobewertung zur Lebensmittelsicherheit, wie er in der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 festgelegt ist, darf das Inverkehrbringen von Stoffen nur nach einer höchste Standards erfüllenden unabhängigen wissenschaftlichen Bewertung der mit ihnen verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit genehmigt werden. Dieser Bewertung, die unter der Verantwortung der Behörde durchzuführen ist, muss eine Risikomanagemententscheidung der Kommission im Rahmen eines Regelungsverfahrens folgen, das eine enge Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten gewährleistet.

(13) Die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Stoffen sollte nur dann gemäß dieser Verordnung erteilt werden, wenn die unter den sektoralen Lebensmittelvorschriften festgelegten Kriterien erfüllt sind.

(14) Es wird allgemein anerkannt, dass die wissenschaftliche Risikobewertung allein in manchen Fällen nicht alle Informationen liefert, auf die sich eine Risikomanagemententscheidung gründen sollte, und dass auch noch andere für den jeweils zu prüfenden Sachverhalt relevante Faktoren wie beispielsweise gesellschaftliche, wirtschaftliche und ethische Gesichtspunkte, Traditionen und Umwelterwägungen wie auch die Frage der Kontrollierbarkeit berücksichtigt werden können.

(15) Um die Unternehmer der betreffenden Sektoren und die Öffentlichkeit über die geltenden Zulassungen auf dem Laufenden zu halten, sollten die zugelassenen Stoffe in einer Gemeinschaftsliste aufgeführt werden, die von der Kommission erstellt, gepflegt und veröffentlicht wird.

(16) Gegebenenfalls können unter bestimmten Umständen sektorale Lebensmittelvorschriften für eine gewisse Zeit den Schutz wissenschaftlicher Daten und anderer Informationen vorsehen, die von den Antragstellern übermittelt werden. In diesem Falle sollte in der betreffenden sektoralen Lebensmittelvorschrift festgelegt werden, welchen Einschränkungen die Verwendung dieser Daten zum Nutzen anderer Antragsteller unterworfen ist.

(17) Die Vernetzung zwischen der Behörde und Organisationen der Mitgliedstaaten, die in den Bereichen, auf die sich der Auftrag der Behörde erstreckt, tätig sind, ist ein zentraler Grundsatz der Arbeit dieser Behörde. Dementsprechend kann die Behörde bei der Ausarbeitung eines Gutachtens auf ein Netz zurückgreifen, das ihr durch Artikel 36 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und durch die Verordnung (EG) Nr. 2230/2004 der Kommission zur Verfügung gestellt wird7.

(18) Das einheitliche Zahlungsverfahren für Stoffe muss den Anforderungen an Transparenz und Information der Öffentlichkeit genügen und gleichzeitig das Recht des Antragstellers auf die Wahrung der Vertraulichkeit bestimmter Informationen garantieren.

(19) Die Wahrung der Vertraulichkeit bestimmter Aspekte eines Antrags sollte weiterhin als Möglichkeit berücksichtigt werden, um die Wettbewerbsposition eines Antragstellers nicht zu beeinträchtigen. Informationen über die Sicherheit eines Stoffes, wie unter anderem toxikologische Untersuchungen, andere Sicherheitsuntersuchungen und die Rohdaten als solche, sollten jedoch auf keinen Fall als vertraulich gelten.

(20) Nach der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 gilt die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission8 auch für die Unterlagen im Besitz der Behörde.

(21) Die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 sieht Sofortmaßnahmen in Bezug auf Lebensmittel mit Ursprung in der Gemeinschaft oder auf aus Drittländern eingeführte Lebensmittel vor. Danach kann die Kommission solche Maßnahmen treffen, wenn ein Lebensmittel wahrscheinlich ein ernstes Risiko für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt darstellt und diesem Risiko durch Maßnahmen des betreffenden Mitgliedstaats oder der betreffenden Mitgliedstaaten nicht auf zufrieden stellende Weise begegnet werden kann.

(22) Im Sinne der Effizienz und Vereinfachung der Rechtsvorschriften ist es angebracht, mittelfristig die Möglichkeit einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs des einheitlichen Verfahrens auf andere bestehende Regelungen im Lebensmittelsektor zu prüfen.

(23) Da die Ziele dieser Verordnung angesichts der Unterschiedlichkeit der nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können und daher besser auf Gemeinschaftsebene zu verwirklichen sind, kann die Gemeinschaft im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags niedergelegten Subsidiaritätsprinzip in diesem Fall tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Verhältnismäßigkeitsprinzip geht diese Verordnung nicht über das für die Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.

(24) Die zur Durchführung dieser Verordnung erforderlichen Maßnahmen sollten gemäß dem Beschluss 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse9 erlassen werden.

(25) Insbesondere sollte die Kommission die Befugnis erhalten, die Gemeinschaftslisten zu aktualisieren. Da es sich hierbei um Maßnahmen von allgemeiner Tragweite handelt, die eine Änderung nicht wesentlicher Bestimmungen der Rechtsvorschriften für die einzelnen Lebensmittelsektoren, auch durch Ergänzung um neue nicht wesentliche Bestimmungen, bewirken, sind diese Maßnahmen nach dem Regelungsverfahren mit Kontrolle des Artikels 5a des Beschlusses 1999/468/EG zu erlassen.

(26) Aus Gründen der Effizienz ist es erforderlich, die Fristen, die normalerweise im Rahmen des Regelungsverfahrens mit Kontrolle Anwendung finden, für die Aufnahme von Stoffen in die Gemeinschaftslisten und für die Hinzufügung, Streichung oder Änderung von Bedingungen, Spezifikationen oder Einschränkungen im Zusammenhang mit einem Stoff auf einer Gemeinschaftsliste abzukürzen.

(27) Wenn aus Gründen äußerster Dringlichkeit die Fristen, die normalerweise im Rahmen des Regelungsverfahrens mit Kontrolle Anwendung finden, nicht eingehalten werden können, muss die Kommission für die Streichung eines Stoffes aus einer Gemeinschaftsliste und für die Hinzufügung, Streichung oder Änderung von Bedingungen, Spezifikationen oder Einschränkungen im Zusammenhang mit einem Stoff auf einer Gemeinschaftsliste die Möglichkeit haben, das Dringlichkeitsverfahren des Artikels 5a Absatz 6 des Beschlusses 1999/468/EG anzuwenden –

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:


1

ABl. C 168 vom 20. 7. 2007, S. 34.

2

Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 10. Juli 2007 (ABl. C 175 E vom 10. 7. 2008, S. 134), Gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 10. März 2008 (ABl. C 111 E vom 6. 5. 2008, S. 1) und Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 8. Juli 2008 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht). Beschluss des Rates vom 18. November 2008.

3

Siehe Seite 16 dieses Amtsblatts.

4

Siehe Seite 7 dieses Amtsblatts.

5

Siehe Seite 34 dieses Amtsblatts.

6

ABl. L 31 vom 1. 2. 2002, S. 1.

7

Verordnung (EG) Nr. 2230/2004 vom 23. Dezember 2004 zur Festlegung der Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend das Netz der Organisationen, die in Bereichen tätig sind, auf die sich der Auftrag der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit erstreckt (ABl. L 379 vom 24. 12. 2004, S. 64).

8

ABl. L 145 vom 31. 5. 2001, S. 43.

9

ABl. L 184 vom 17. 7. 1999, S. 23.