Das Lebensmittelhygienerecht als Mischung aus unmittelbar geltendem EU-Recht und flankierendem nationalen Recht ist so umfangreich, teilweise abstrakt, sehr häufig unbestimmt und zugleich in weiteren Einzelbestimmungen in verschiedenen Rechtsnormen vorgegeben, dass es unübersichtlicher denn je geworden ist.
Der Lebensmittelsektor ist damit zum drittstärksten reglementierten Bereich nach Automobilbau und Chemie-Industrie geworden!
Es existieren außerdem neben den Rechtsnormen rechtlich unverbindliche, aber beachtenswerte notifizierte und (noch) nicht notifizierte Leitlinien der Branchen, Leitfäden und Bekanntmachungen mit Erläuterungen der EU-Kommission und von Wirtschaftsverbänden etc. sowie DIN Normen.
Nimmt man das alles zusammen, so wird das schwer überschaubare Lebensmittelhygienerecht der EU für den Anwender mehrschichtig, verzweigt und nicht leicht zu verstehen. Das geht zu Lasten der Rechtssicherheit.
Der Lebensmittelunternehmer ist aber der Verantwortliche für die Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit in seinem Lebensmittelunternehmen. Umfängliche Hygienemaßnahmen sind anzuordnen und deren korrekte Durchführung und Effizienz der Maßnahmen sind zu kontrollieren.
Schon mit der 1.Auflage von „Betriebliche Eigenkontrollen“ im Jahre 2004 wollte ich das Augenmerk auf die wichtige Basishygiene in den Küchen der Gemeinschaftsverpflegung lenken und dazu geeignete Kontrollmaßnahmen vorstellen. Mit der 2. aktualisierten Neuauflage 2007 haben die Coautoren und ich den Weg von der Basishygiene zum eigenen Hazard Analysis and Critical Control Point System (HACCP-System) beschrieben und wiederum den Stellenwert der betrieblichen Eigenkontrollen betont und Praxisanleitungen gegeben. Mit der 3. Auflage erfolgte die Überleitung hin zu einem Managementsystem, welches die Anforderungen der DIN EN 22000 berücksichtigt. Die Tatsache, dass Akteure aus dem internationalen Handel eigene „Standards“ (BRC, IFS) immer weiterentwickelt haben, die inzwischen in Details mehr als das eigentliche Recht in die Herstellungspraxis und den Handel von Lebensmitteln eingreifen, und damit das Ziel der Vereinheitlichung der Standards mit der DIN EN ISO 22000 bislang verfehlt wird, macht es in der Praxis immer schwerer, sich auf das Notwendige zu konzentrieren.
Heute liegt die 4. aktualisierte Ausgabe vor Ihnen, die sich gezielt an die Großküchen und Hersteller von Gemeinschaftsverpflegung richtet, aber auch für die Gastronomie hilfreich sein soll. Es gibt jetzt Erfahrungen von der Etablierung solcher QM-Systeme und erkannte, vermeidbare Defizite im Betrieb mit einem Managementsystem für Lebensmittelsicherheit nach DIN EN ISO 22000, die in diese Aktualisierung eingeflossen sind.
Die EU-Kommission hat ihre Bekanntmachung zur Umsetzung von Managementsystemen für Lebensmittelsicherheit (Food Safety Management Systems, FSMS) unter Berücksichtigung von guter Hygienepraxis und auf die HACCP-Grundsätze gestützten Verfahren einschließlich Vereinfachung und Flexibilisierung bei der Umsetzung in bestimmten Lebensmittelunternehmen von 2016 im Jahr 2022 revidiert. Die internationale Norm ISO 22000 wird seit 2023 gleichfalls noch einmal überarbeitet und nachgeschärft. Inhalte sind dazu schon bekannt, andere Teile werden noch diskutiert. Eine Veröffentlichung einer neuen deutschen Fassung wird sicher erst im Laufe des Jahres 2025 erfolgen.
Mit diesem kleinen Fachbuch soll den Lesern ein Leitfaden an die Hand gegeben werden, was heute unter Basishygiene zu verstehen ist und wie man in der Praxis die erforderlichen betrieblichen Eigenkontrollen gestalten kann.
Die ausführliche Darstellung aller Maßnahmen (inkl. HACCP-System) zur Etablierung eines umfassenden Managementsystems für Lebensmittelsicherheit wären allerdings zu umfänglich, um diese alle und detailliert hier darzustellen.
Weitere und ausführliche Ausführungen zu einzelnen Themenabschnitten sind daher der Loseblattsammlung „Hygiene in Großküchen“ (Behr’s Verlag Hamburg) und der zahlreichen Literatur zu dem Thema zu entnehmen.
Ich konnte mit Herrn Dr. Mathias Boese einen ausgezeichneten Sachkenner der betrieblichen Hygienepraxis gewinnen, der aus Sicht der amtlichen Lebensmittelüberwachung wertvolle Hinweise für eine beanstandungsfreie Umsetzung der Hygienemanagementaufgaben in die Praxis gibt.
Wir hoffen, mit dieser Ausgabe weiterhin zur Versachlichung der Diskussion um die (nicht) neuen PRPs und eine sachgerechte, sichere Umsetzung der rechtlichen Forderungen in der Gemeinschaftsverpflegung und dem Catering beizutragen.
Meinem neuen Coautor Dr. Mathias Boese danke ich für das große Engagement, mit dem er das Werk aktualisiert hat.
Herrn Jan Anhenn und Herrn Marten Verch vom Behr’s Verlag danken wir für die unterstützende Begleitung und Umsetzung in das Printformat.
Saulheim im Januar 2025
Dr. Thomas Reiche