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Delegierte Verordnung (EU) 2024/1229 der Kommission zur Ergänzung der Verordnung (EU) 2019/4 des Europäischen Parlaments und des Rates durch Festlegung spezifischer Höchstgehalte für die Kreuzkontamination mit antimikrobiellen Wirkstoffen in Futtermitteln für Nichtzieltiere und der Analysemethoden für diese Stoffe in Futtermitteln

Vom 20. Februar 2024

(ABl. L 2024/1229 vom 30.4.2024), ber. durch ABl. L 2024/90469 vom 31.7.2024
Änderungshistorienicht-amtliches Inhaltsverzeichnis

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION –

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) 2019/4 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung von Arzneifuttermitteln, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 183/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 90/167/EWG des Rates1, insbesondere auf Artikel 7 Absatz 3,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die Verordnung (EU) 2019/4 enthält besondere Bestimmungen für Arzneifuttermittel und Zwischenprodukte. Es wurde festgestellt, dass die Kreuzkontamination von Futtermitteln für Nichtzieltiere mit antimikrobiellen Mitteln das Kernproblem der Union beim Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier und beim Umweltschutz darstellt; daher sollte sie vermieden oder so gering wie möglich gehalten werden.

(2)

Gemäß Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2019/4 sind von der Kommission delegierte Rechtsakte zur Ergänzung der genannten Verordnung zu erlassen, in denen sie für die 24 in Anhang II der genannten Verordnung aufgeführten antimikrobiellen Wirkstoffe (im Folgenden die „24 antimikrobiellen Wirkstoffe“) spezielle Höchstgehalte für die Kreuzkontamination von antimikrobiellen Wirkstoffen in Futtermitteln für Nichtzieltiere und Analyseverfahren für antimikrobielle Wirkstoffe in Futtermitteln festlegt. Gemäß Artikel 7 Absatz 3 der genannten Verordnung müssen die delegierten Rechtsakte, in denen Höchstgehalte für die Kreuzkontamination festgelegt werden, auf einer wissenschaftlichen Risikobewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (im Folgenden „EFSA“) beruhen.

(3)

Auf Ersuchen der Kommission bewertete die EFSA in Zusammenarbeit mit der Europäischen Arzneimittel-Agentur (im Folgenden „EMA“) die spezifischen Konzentrationen der 24 antimikrobiellen Wirkstoffe, die sich aus der Kreuzkontamination von Futtermitteln für Nichtzieltiere, die für zur Lebensmittelerzeugung genutzte Tiere bestimmt sind, ergeben und unterhalb derer sie keine Folgen für das Auftreten und/oder die Selektion von Resistenzen gegen antimikrobielle Wirkstoffe hätte, die für die Gesundheit von Mensch und Tier relevant sind (im Folgenden „antimikrobielle Resistenzen“).

(4)

Die EFSA wurde von der Kommission ferner ersucht zu prüfen, bei welchen Werten die 24 antimikrobiellen Wirkstoffe eine Wachstumsförderung oder eine Ertragssteigerung bewirken können, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Verwendung von Antibiotika, die keine Kokzidiostatika und keine Histomonostatika sind, als Futtermittelzusatzstoffe gemäß Artikel 11 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates2 seit dem 1. Januar 2006 eingestellt wurde. Der spezifische Höchstgehalt für jeden antimikrobiellen Wirkstoff in Futtermitteln für Nichtzieltiere sollte unter dem Wert liegen, der eine Wachstumsförderung oder eine Ertragssteigerung bewirkt.

(5)

Darüber hinaus ersuchte die Kommission das gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 eingerichtete Referenzlabor (im Folgenden „Referenzlabor“) um eine Empfehlung zu Analysemethoden für die 24 antimikrobiellen Wirkstoffe in Futtermitteln.

(6)

In ihren 13 Stellungnahmen vom 15. September 2021 zu Höchstgehalten der Kreuzkontamination von Futtermitteln für Nichtzieltiere mit den 24 antimikrobiellen Wirkstoffen3 (im Folgenden „Stellungnahmen vom 15. September 2021“) konnte die EFSA aufgrund fehlender Daten nur für sechs der 24 antimikrobiellen Wirkstoffe und nicht für alle relevanten Tierarten spezifische Konzentrationen im Hinblick auf antimikrobielle Resistenzen festlegen. Darüber hinaus konnte die EFSA nur für 14 der 24 antimikrobiellen Wirkstoffe Werte ermitteln, bei denen eine Wachstumsförderung oder eine Ertragssteigerung eintritt, und auch nicht für alle relevanten Tierarten, was ebenfalls auf das Fehlen einschlägiger Daten zurückzuführen ist.

(7)

Im April 2022 und Februar 2023 veröffentlichte das Referenzlabor zwei Berichte über die Analysemethoden und die niedrigsten erreichbaren Quantifizierungsgrenzen in Futtermitteln für die 24 antimikrobiellen Wirkstoffe4 (im Folgenden „Berichte vom April 2022 und Februar 2023“).

(8)

Die spezifischen Konzentrationen im Hinblick auf antimikrobielle Resistenzen, die die EFSA in ihren Stellungnahmen vom 15. September 2021 für sechs antimikrobielle Wirkstoffe festgelegt hat, liegen deutlich unter den vom Referenzlabor in seinen Berichten vom April 2022 und Februar 2023 festgelegten Quantifizierungsgrenzen. Dies bedeutet in der Praxis, dass die spezifischen Konzentrationen nicht messbar sind und sich daher von den Mitgliedstaaten gar nicht gemäß Artikel 17 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates5 durchsetzen ließen.

(9)

Die niedrigsten Werte der 14 antimikrobiellen Wirkstoffe, für die die EFSA in ihren Stellungnahmen vom 15. September 2021 eine wachstumsfördernde oder ertragssteigernde Wirkung darlegen konnte, liegen deutlich über der Quantifizierungsgrenze für jeweiligen Stoff und sind somit messbar und können von den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 17 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 durchgesetzt werden. Um eine wachstumsfördernde oder ertragssteigernde Wirkung zu vermeiden, sollten die Höchstgehalte der Kreuzkontamination von Futtermitteln für Nichtzieltiere mit antimikrobiellen Wirkstoffen unter den niedrigsten Werten liegen, die eine Wachstumsförderung oder eine Ertragssteigerung bewirken.

(10)

Die großen wirtschaftlichen Investitionen und erhöhten Logistikkosten, die mit der Einhaltung der Höchstgehalte der Kreuzkontamination von Futtermitteln für Nichtzieltiere verbunden sind, falls diese Werte sehr niedrig sind, dürften zu einer rückläufigen Produktion von Arzneifuttermitteln führen. Darüber hinaus gelangte die EMA in ihrer Empfehlung vom 28. August 2020 betreffend Durchführungsmaßnahmen gemäß Artikel 106 Absatz 6 der Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates6 über Tierarzneimittel – wissenschaftliche Problemanalyse und Empfehlungen zur Gewährleistung einer sicheren und effizienten Verabreichung von oralen Tierarzneimitteln über andere Verabreichungswege als Arzneifuttermittel („Advice on implementing measures under Article 106(6) of Regulation (EU) 2019/6 on veterinary medicinal products – scientific problem analysis and recommendations to ensure a safe and efficient administration of oral veterinary medicinal products via routes other than medicated feed“)7 zu dem Ergebnis, dass dies auch zum verstärkten Einsatz anderer Wege der oralen Verabreichung antimikrobieller Wirkstoffe als über Arzneifuttermittel führen kann, wie etwa der Verabreichung durch Aufbringen auf die Oberfläche fester Futtermittel, was das Risiko von Antibiotikaresistenzen erhöhen und die Behandlung bestimmter bakterieller Infektionen bei bestimmten Tierarten erschweren kann, weil es keine anderen geeigneten Verabreichungswege gibt, etwa in der Aquakultur. Die Höchstgehalte der Kreuzkontamination sollten die Produktion von Arzneifuttermitteln, insbesondere durch kleine und mittlere Futtermittelbetriebe, nicht beeinträchtigen, indem sie diese praktisch von der Produktion von Arzneifuttermitteln ausschließen, was zu Problemen für die öffentliche Gesundheit, die Tiergesundheit und das Tierwohl führen könnte. Daher sollte für Kreuzkontaminationen Höchstwerte festgelegt werden, die zwar streng sind, durch die Anwendung bewährter Verfahren zur Minimierung von Kreuzkontamination aber auch erreicht werden können. Zusätzlich zu den Stellungnahmen vom 15. September 2021 deuten die in den Mitgliedstaaten bei der Anwendung der nationalen Rechtsvorschriften gesammelten Erfahrungen darauf hin, dass ein Wert für die Kreuzkontamination von Futtermitteln für Nichtzieltiere in Höhe von 1 % des Wirkstoffs im Arzneifuttermittel einen guten Kompromiss zwischen Durchführbarkeit und Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen darstellt. Zwischenprodukte enthalten höhere Wirkstoffkonzentrationen als Arzneifuttermittel. Werden Futtermittel für Nichtzieltiere nach der Herstellung, Verarbeitung, Lagerung oder dem Transport von Zwischenprodukten hergestellt, verarbeitet, gelagert oder transportiert, sollte daher ein Wert der Kreuzkontamination von 1 % des Stoffes gelten, der in den daraus gewonnenen Arzneifuttermitteln enthalten sein darf.

(11)

Die Höchstgehalte für eine Kreuzkontamination von Futtermitteln für Nichtzieltiere mit einigen antimikrobiellen Wirkstoffen sollten überprüft werden, sobald neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die es ermöglichen, Resistenzen gegen antimikrobielle Wirkstoffe mithilfe durchsetzbarer Höchstgehalte, die durch die Anwendung bewährter Verfahren zur Minimierung von Kreuzkontaminationen erreichbar sind, in Futtermitteln für Nichtzieltiere weiter zu bekämpfen.

(12)

Arzneifuttermittel oder Zwischenprodukte, die für Fische bestimmt sind, enthalten häufig erheblich höhere Dosen antimikrobieller Wirkstoffe als Arzneifuttermittel oder Zwischenprodukte, die für andere der Lebensmittelgewinnung dienende Tiere als Fische bestimmt sind. Darüber hinaus wurden in den Stellungnahmen vom 15. September 2021 keine Mengen an antimikrobiellen Wirkstoffen ermittelt, die bei Fischen eine Wachstumsförderung oder Ertragssteigerung bewirken. Daher sind strengere spezifische Höchstgehalte der Kreuzkontamination von Futtermitteln für Nichtzieltiere, die für andere der Lebensmittelerzeugung dienende Tiere als Fische bestimmt sind, erforderlich, wenn die Kreuzkontamination aus Arzneifuttermitteln oder Zwischenprodukten für Fische stammt, um eine wachstumsfördernde oder ertragssteigernde Wirkung bei anderen der Lebensmittelgewinnung dienenden Tieren als Fischen zu vermeiden. Da diese strengeren spezifischen Höchstgehalte der Kreuzkontamination von Futtermitteln für Nichtzieltiere, die für andere der Lebensmittelgewinnung dienende Tiere als Fische bestimmt sind, messbar und von den Mitgliedstaaten durchsetzbar sein sollten, sollten sie auf die Quantifizierungsgrenze festgesetzt werden.

(13)

Es sollte sichergestellt werden, dass bei Lebensmitteln, die von Tieren gewonnen werden, welche mit Futtermitteln für Nichtzieltiere gefüttert wurden, die in Tabelle 1 im Anhang der Verordnung (EU) Nr. 37/2010 der Kommission8 festgelegten Rückstandshöchstmengen eingehalten werden. Daher sollten in dieser Verordnung strengere spezifische Höchstgehalte der Kreuzkontamination von Futtermitteln für Nichtzieltiere mit antimikrobiellen Wirkstoffen festgelegt werden, und zwar insbesondere für der Erzeugung von Milch oder Eiern dienende Tiere und für Tiere, die kurz vor der Schlachtung stehen. Da diese strengeren spezifischen Höchstgehalte der Kreuzkontamination von Futtermitteln für Nichtzieltiere messbar und von den Mitgliedstaaten durchsetzbar sein sollten, sollten sie auf die Quantifizierungsgrenze festgesetzt werden.

(14)

Die vom Referenzlabor in den Berichten vom April 2022 und Februar 2023 empfohlenen Analysemethoden sollten als Referenzmethoden für die Analyse der 24 antimikrobiellen Wirkstoffe in Futtermitteln verwendet werden. Alternative Analysemethoden sollten nur zulässig sein, wenn sie von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten validiert und als gleichwertig angesehen werden.

(15)

Den amtlichen Laboratorien, die die Methoden zur Analyse antimikrobieller Wirkstoffe in Futtermitteln anwenden, sollte ausreichend Zeit eingeräumt werden, um sich an die Quantifizierungsgrenzen anzupassen und ihre Befähigung zur Durchführung solcher Analysemethoden mit allgemein anerkannten Mitteln nachzuweisen, z. B. durch Akkreditierung, solide Daten aus einer laborinternen Validierungsstudie oder einer Laboreignungsprüfung, die auf eine zeitnahe Akkreditierung abzielen. Deshalb sollte der Geltungsbeginn der vorliegenden Verordnung 12 Monate nach deren Inkrafttreten liegen –

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:


1

ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 1. ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2019/4/oj.

2

Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über Zusatzstoffe zur Verwendung in der Tierernährung (ABl. L 268 vom 18.10.2003, S. 29, ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2003/1831/2021-03-27).

3

EFSA Journal 2021;19(10):6852 bis 6865.

4

Vincent, U., Oliveira Gonçalves, C., Ferrari, L., Bouten, K., Chedin, M., Stroka, J., Pinotti, L. und Von Holst, C., „Determination of 24 Antibiotics at trace levels in animal feed by High Performance Liquid Chromatography – Tandem Mass Spectrometry (LC-MS/MS)“, Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, Luxemburg, 2024, EUR 31818 EN, doi: 10.2760/12878, JRC136836.

5

Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1, ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2002/178/oj).

6

Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über Tierarzneimittel und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/82/EG (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 43, ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2019/6/oj).

7

EMA/CVMP/508559/2019.

8

Verordnung (EU) Nr. 37/2010 der Kommission vom 22. Dezember 2009 über pharmakologisch wirksame Stoffe und ihre Einstufung hinsichtlich der Rückstandshöchstmengen in Lebensmitteln tierischen Ursprungs (ABl. L 15 vom 20.1.2010, S. 1, ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2010/37(1)/2023-06-11).