Vorwort

Zu den sechs Prioritäten der Europäischen Kommission für die aktuelle Amtszeit bis 2024 gehört der Europäische Green Deal. Damit soll der Übergang der Europäischen Union zu einer modernen, klimaneutralen, ressourceneffizienten, nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Wirtschaft gefördert werden. Europa soll der erste klimaneutrale Kontinent werden; das erklärte Ziel ist, die Senkung der Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber dem Jahr 1990 und bis 2050 soll die Wirtschaft überhaupt keine Netto-Treibhausgase mehr ausstoßen.

Auch auf Seiten der Verbraucher ist das Bewusstsein für die herausragende Bedeutung eines nachhaltigen Konsums in den letzten Jahren stetig gewachsen und gerade die jüngeren Generationen legen immer häufiger Wert auf eine nachhaltige Lebensführung. Dazu gehört auch der Konsum von Lebensmitteln und kosmetischen Mitteln, deren ökologischer Fußabdruck möglichst klein ist. Zentrales Merkmal ist dabei die klimaneutrale Herstellung der Produkte und ihrer Verpackungen. Unternehmen müssen deshalb bei der Vermarktung ihrer Produkte verstärkt umweltrelevante Aspekte in den Fokus rücken. Diese sog. Green Claims sind von den Verpackungen unserer Lebensmittel und Pflegprodukte nicht mehr wegzudenken und sollen Verbraucher über die umweltbezogenen Vorteile der Produkte und ihrer Verpackungen informieren. Wie so häufig, wenn das Marketing „Trend“-Themen aufgreift und keine spezialgesetzlichen Regelungen für diese „neuen“ Trends existieren, stellt sich auch bei Green Claims die Frage, ob der durchschnittliche Verbraucher diese Werbeaussagen richtig versteht und ob er alle Informationen erhält, die er benötigt, um eine an Umweltaspekten ausgerichtete, fundierte Kaufentscheidung treffen zu können. Ist das nicht der Fall, besteht die Gefahr, dass eine Werbung mit Green Claims als zur Verbrauchertäuschung geeignet eingestuft werden kann oder dass zumindest ein sog. Greenwashing unterstellt wird.

Auch die Europäische Kommission beschäftigt sich im Rahmen des Green Deals mit umweltbezogener Werbung und hat bereits einige Initiativen auf den Weg gebracht, die dem Greenwashing entgegenwirken und zu mehr Rechtssicherheit bei der Verwendung von Green Claims führen sollen. Der Ende März 2022 vorgelegte Vorschlag zur Änderung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken enthält z. B. erstmals Defi Seitenwechsel nitionen für die Begriffe „Umweltwerbung“, „Nachhaltigkeitssiegel“ und „allgemeine Umweltaussage“ und nimmt in die sog. „Schwarze Liste“ im Anhang der UGP-Richtlinie drei Tatbestände auf, die der Eindämmung von Greenwashing dienen sollen. Eine weitere wichtige Initiative beschäftigt sich im Rahmen des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft mit der Schaffung standardisierter Quantifizierungsmethoden zur Substantiierung von Green Claims. Schließlich beabsichtigt die EU-Kommission bis Ende 2023 einen Vorschlag für einen Rechtsrahmen für ein nachhaltiges Lebensmittelsystem vorzulegen, sozusagen das „Grundgesetz“ für eine nachhaltige Lebensmittelwirtschaft. Gegenstand dieses Rechtsrahmens soll auch die Nachhaltigkeitskennzeichnung von Lebensmitteln sein.

Bis es aber soweit ist, müssen die Mitgliedstaaten Green Claims anhand des existierenden Rechtsrahmens beurteilen, konkret an den Vorgaben des lebensmittelrechtlichen bzw. kosmetikrechtlichen Irreführungsverbots und den Vorschriften des allgemeinen Wettbewerbsrechts. Insbesondere in Deutschland gab und gibt es bereits die ersten Rechtsstreitigkeiten wegen angeblich irreführender Werbung mit Green Claims, allen voran mit „klimaneutral“ Auslobungen. Es bleibt abzuwarten, ob und bis wann wir durch höchstrichterliche Rechtsprechung etwas mehr Rechtssicherheit für die Verwendung von Green Claims erhalten werden. In der Zwischenzeit soll das vorliegende Buch Unterstützung leisten und beschäftigt sich mit Fragen, die sich Unternehmen bei der Verwendung von Green Claims in der aktuellen rechtlichen Situation stellen. Seitenwechsel