April 2018

Die neue EU-Kontroll-Verordnung 2017/625 – betrügerische Praktiken im Fokus

Martin Holle

April 2018. Die VO (EU) 2017/625 ist im April 2017 im Amtsblatt der EU veröffentlicht worden. Bis auf wenige Vorschriften finden ihre Regelungen ab dem 14. Dezember 2019 Anwendung und lösen dann die VO (EG) Nr. 882/2004 ab.

Gegenstand der Verordnung sind die Durchführung und Finanzierung amtlicher Kontrollen, die Amtshilfe zwischen den Mitgliedstaaten, die Durchführung von Kontrollen durch die Kommission in Mitgliedstaaten und Drittländern, die Festlegung von Einfuhrbedingungen für Tiere und Waren aus Drittländern sowie die Einrichtung eines computergestützten Informationssystems zur Verwaltung von Informationen und Daten über die amtlichen Kontrollen. Durch die Einbeziehung auch von „Randgebieten“ wie Pflanzengesundheit, tierischen Nebenprodukten und Lebensmittelkontaktmaterialien in den Anwendungsbereich sollen einheitliche Anforderungen für eine umfassende Kontrolle aller Tätigkeitsbereiche, die einen Einfluss auf die Sicherheit von Lebensmitteln haben können, gewährleistet werden. Neben dem schon immer besonders hervorgehobenen Ziel der Lebensmittelsicherheit treten in der neuen Verordnung ein besserer Schutz vor Täuschung und betrügerischen Praktiken, die Steigerung der Transparenz der Überwachungstätigkeit, eine Reduzierung des Verwaltungsaufwands durch die Vereinheitlichung von Einfuhrdokumenten und eine Verbesserung des Informationsmanagements.

Nach Art. 9 Abs. 2 VO (EU) 2017/625 sind die Überwachungsbehörden zukünftig verpflichtet, in angemessenen zeitlichen Abständen und risikobasiert auch im Hinblick auf durch betrügerische oder irreführende Praktiken vorsätzlich begangene Verstöße amtliche Kontrollen durchzuführen. Damit geht das von den Behörden geforderte Engagement in diesem Bereich zukünftig deutlich über das hinaus, was bislang im Rahmen der allgemeinen Regelkontrollen üblich war.

Die besondere Betonung der Aufgabe des Schutzes vor betrügerischen Praktiken ist das Resultat einer Anzahl von Lebensmittelskandalen, die auf vorsätzliches Handeln einzelner Unternehmer in der Lebensmittelkette zum Zweck der Erlangung ökonomischer Vorteile zurückzuführen waren, wie z. B. die Vermarktung von Pferdefleisch als Rindfleisch oder auch – bereits einige Jahre zuvor – die Verwendung von Sudanrot in Gewürzen. Solche Vorgehensweisen führen einerseits zu ökonomischen Schäden bei den Abnehmern, können andererseits aber auch, wie der Fall Sudanrot zeigt, Ursache für Gesundheitsgefahren sein. Das europäische Lebensmittelrecht hatte bislang vorsätzliche Manipulationen in der Lebensmittelkette nicht besonders betrachtet, da es für die Beurteilung der Sicherheit eines Lebensmittels letztlich keine Rolle spielt, ob dessen unsichere Beschaffenheit vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt wurde. In Anbetracht der Globalisierung des Handels mit Lebensmitteln und der damit verbundenen hohen Komplexität der Warenwege hat sich jedoch nunmehr die Einsicht durchgesetzt, dass manipulative Eingriffe aus kriminellen Motiven zusätzliche Risiken für die Lebensmittelsicherheit bedeuten, die es zu bekämpfen gilt. Da der Ursprung eines Lebensmittels in vielen Fällen zudem ein preisbestimmender Faktor ist, wird die Kontrolle von Herkunftsangaben auch unter dem Aspekt des Täuschungsschutzes unter der neuen Verordnung sicher zunehmend von der amtlichen Überwachung in den Blick genommen werden.

Für den Bereich der geschützten Herkunftsangaben bestimmt Art. 1 Abs. 2 Buchst. j), dass die VO (EU) 2017/625 auch für die amtliche Kontrolle der Verwendung der Angaben „geschützte Ursprungsbezeichnung“, „geschützte geografische Angabe“ und „garantiert traditionelle Spezialität“ und die entsprechende Kennzeichnung der Erzeugnisse gilt. Eine Differenzierung zwischen der bisher von den Kontrollstellen durchgeführten Überprüfung von Herstellern und Erzeugern einerseits und der von den örtlichen Überwachungsbehörden durchgeführten Missbrauchskontrolle enthält die Verordnung dabei nicht. Daher finden ihre Anforderungen zukünftig auch auf die Kontrollen von Herstellern und Erzeugern Anwendung. Es bleibt allerdings nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 28 der VO möglich, dass bestimmte Kontrollbefugnisse auf sog. beauftragte Stellen übertragen werden. In Anbetracht der Tatsache, dass die amtliche Lebensmittelüberwachung in Deutschland gar nicht über die Kapazitäten verfügt, die Hersteller- und Erzeugerkontrolle von geschützten Herkunftsangaben zu übernehmen, ist abzusehen, dass diese Tätigkeit aller Wahrscheinlichkeit nach auch unter der neuen Verordnung im Wege der Delegation den schon bisher benannten Kontrollstellen zufallen wird. Bei dieser Delegation sind nach Erwägungsgrund 70 der Verordnung bestimmte Mindestanforderungen einzuhalten, um sicherzustellen, dass die mit der Kontrolle beauftragten Stellen eine ausreichende Gewähr für die zuverlässige Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben bieten. Art. 29 VO (EU) 2017/625 verlangt deshalb, dass die beauftragten Stellen über die erforderliche Fachkompetenz und Ressourcen verfügen, nach den für ihre Tätigkeit einschlägigen Standards akkreditiert sind und dass ihre Unparteilichkeit sichergestellt ist. Außerdem sind diese Stellen zu einer engen Zusammenarbeit mit den amtlichen Überwachungsbehörden verpflichtet und diesen berichtspflichtig.

Wie sich das Verhältnis zwischen Kontrollstellen und amtlicher Lebensmittelüberwachung zukünftig darstellen wird, muss sich noch zeigen. Revolutionäre Änderungen sind jedoch wohl nicht zu erwarten.