Dezember 2021 Schaler Beigeschmack – der Streit ums „Champagner Sorbet“ ist beendet

Tobias Teufer

Geschmackssache, ob man es gut finden soll, dass ein jahrelanger Rechtsstreit, der seinen Weg bis vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gefunden hatte, mit einem schnöden Streit um den Geschmack eines Aldi-Desserts endet (OLG München, Urteil v. 1.7.2021, Az. 29 U 1698/14). Rechtlich ist das eher bitter, weil der Streit damit in die Hände von sensorisch ausgebildeten Sachverständigen gegeben wird, die wenigsten Richter dürften sich in Sachen objektivierter Geschmackbewertungen ein eigenes Urteil zutrauen. Dieser Weg, den das OLG München nun beschritten hat, wurde ihm jedoch ausdrücklich vom EuGH vorgegeben. Die Richter in Luxemburg hatten entschieden, dass für ein Lebensmittel, das Champagner als Zutat enthält, nur dann mit der nach EU-Recht geschützten Ursprungsangabe „Champagner“ geworben werden darf, wenn das Produkt seinen Geschmack hauptsächlich durch die Zutat Champagner erhält. Nun mag man unter Gourmets darüber streiten können, ob ein „Champagner Sorbet“ hauptsächlich oder doch eher fein im Hintergrund nach Champagner schmecken sollte. Die Münchner Richter focht das nach den Weisungen aus Luxemburg nicht mehr an. Sie kamen zu dem Schluss, dass das Sorbet des Discounters nicht hauptsächlich nach Champagner schmeckte und machten deshalb auch Schluss mit dem mehrjährigen Gerichtsverfahren über verschiedene Instanzen -jedenfalls ist eine Revision gegen die Entscheidung nicht zugelassen worden. Der schale Beigeschmack dabei: Wegen Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums 2014 konnte das inzwischen nicht mehr angebotene Lebensmittel nach dem Urteil des EuGH gar nicht mehr verkostet werden. Die geschmacklichen Eindrücke aus dem Verfahren reichten dem OLG München in diesem Fall aber offenbar aus.

Das Verfahren hat natürlich Folgen, die über den konkreten Fall hinausgehen. Denn um die Verwendung von Zutaten mit geschützter Herkunfts- oder Ursprungsbezeichnung gibt es immer wieder Streit, wenn sie als Anker für zugkräftige Werbung mit dem Image der geschützten Angabe verwendet werden. In diesem Zusammenhang hat in dem „Champagner“-Verfahren zunächst der EuGH zwei Richtungsentscheidungen getroffen, die künftig für alle vergleichbaren Fälle gelten: Es ist im Prinzip zulässig mit der geschützten Bezeichnung zu werben, auch wenn das entsprechende Lebensmittel nur eine Zutat in einem zusammengesetzten Lebensmittel ist. Allerdings erfordert das einen so ausgeprägten Beitrag der Zutat zu dem Gesamtcharakter des zusammengesetzten Lebensmittels, dass man insoweit von „hauptsächlich“ sprechen kann. Nicht geäußert hat sich der EuGH hingegen zu der Frage, wie diese Feststellungen zu treffen sind. Trotz der Entscheidung des OLG München wird man aus Sicht des Autors weiter zu diskutieren haben, ob das immer mittels sensorischer Gutachten geschehen muss oder ob es in speziellen Konstellationen auch spezielle Bewertungskriterien gibt. Denn völlig offen ist der Umgang mit Zutaten, die eine geschützte Bezeichnung aufweisen, aber keinen so ausgeprägten Eigengeschmack, dass er in dem zusammengesetzten Lebensmittel dominieren könnte (oder sollte). Im Sinne eines Irreführungsgedankens dürfte es dann doch auch darauf ankommen, welchen Beitrag zum Gesamterzeugnis der maßgebliche Durchschnittsverbraucher im konkreten Fall erwartet. Allerdings ist natürlich auch diese rechtliche Bewertung am Ende immer eine Geschmackssache.