Die Entwicklung neuer Wirkstoffe, Formulierungen, Geräte und Verfahren hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten auf allen Sektoren der Schädlingsbekämpfung, insbesondere aber auf denen des Gesundheits- und Veterinärsektors, beschleunigt fortgesetzt. Entsprechendes gilt für den Bereich der antiektoparasitären Therapie in der Human-, vor allem aber der Veterinärmedizin. Integrierte und Alternativmethoden der Bekämpfung sind als Konsequenz von Erkenntnissen auf human-, veterinär- und/oder umwelttoxikologischem Sektor hinzugekommen. In Deutschland wurde seit den 1980er Jahren im erwarteten Rahmen mit Erfolg versucht, diesem Fortschritt mit einer in Teilen später durch Änderungen und Ergänzungen weiterentwickelten Verordnung über die “Umschulung zum/zur geprüften Schädlingsbekämpfer/in“ zu entsprechen.
Die 2004er Ausbildungsregelung wird die Qualität der gewerblichen Schädlingsbekämpfung weiter steigern. Dieser Qualitätszuwachs ist notwendig, um der inzwischen forcierten, noch anspruchsvolleren Fortentwicklung des Standes der einschlägigen Technik und des spezifischen Rechts Rechnung zu tragen. Die dem Ausbildungsrahmenplan als Leitgerüst folgende Anleitung in den entsprechenden Ausbildungsbetrieben und die Schulungen in den dafür anerkannten Ausbildungsstätten sollen das Erreichen der Ziele der neuen Verordnung sicherstellen. Unterstützend auf diesem Wege wirkten und wirken Aufklärungs-, Lehr- und Anleitungsschriften wie diese Loseblattsammlung. Auch die in den einschlägigen Betrieben bereits längerfristig Tätigen und die Vertreter entsprechende Kontrollen durchführender behördlich zuständiger Instanzen können sich an den vielseitigen Sachstandzusammenfassungen derartiger Sammlungen orientieren bzw. fortbilden. Die nicht selten in kürzeren Abständen erforderliche Aktualisierung von Teilen solcher Publikationen wird durch das System der Loseblattsammlung wesentlich erleichtert. Von der Veränderung des “Technischen Standes“ in bisher ungewohnter Geschwindigkeit sind auf der Basis global gesammelter wissenschaftlicher und technischer Neuerkenntnisse alle einschlägigen Teilgebiete der Schädlingsbekämpfung betroffen: u. a. die Wirksamkeit einschließlich der Resistenz gegenüber Wirkstoffen ebenso wie die Human- und die Veterinärtoxikologie, die Humaninfektions- und die Tierseuchenabwehr, die Lebensmittel- und die Futtermittelhygiene, die Formulierungs- und Rückstandschemie, die Gerätetechnik, der Arbeits-, der Tier-, der Vorrats- und der Materialschutz sowie das Feld der Vermeidung ökologischer Schäden.
In der Folge der technischen Weiterentwicklung verändert sich auch das entsprechende Recht. Seine zunehmende Spezifizierung wird z. B. in den Rechtssetzungen der Europäischen Union (EU) und im nationalen Recht deutlich. Diesen Änderungen muss die Aus- und Fortbildungsliteratur aus Gründen möglicher erheblicher rechtlicher und wirtschaftlicher Konsequenzen für den/die Bekämpfer/in und seine/ihre Auftraggeber unverzögert folgen. Das Gleiche gilt für neue oder erneuerte Normierungen, Empfehlungen und Prinzipien internationaler Organisationen mit Richtliniencharakter wie denen der Weltgesundheits- (WHO) und der Welternährungsorganisation (FAO) bzw. denen des Internationalen Tierseuchenamtes oder des Europarates. Die Berücksichtigung dieses Normenkomplexes und nationaler Nominierungen wie in Deutschland derer des DIN (Beispiel: “Lebensmittelhygiene und Schädlingsbekämpfung“) in Schulungsschriften dient der Vereinheitlichung des Vorgehens in der praktischen Schädlingsbekämpfung im internationalen, zumindest aber im nationalen Rahmen.
Falls es auf Grund der gegenwärtigen und einer weiteren Verengung des Marktes für einzelne, vielfältig eingesetzte Schädlingsbekämpfungswirkstoffe (beispielsweise für viele Organophosphate und einige Carbamate) über einen begrenzten Zeitraum oder auf Dauer, d. h. zu deren ausnahmslosen Herausnahme aus dem Markt für alle Indikationen in Folge strengerer gesetzlicher Vorschriften und/oder wirtschaftlicher Zwänge vor allem auf dem Feld der Gesundheits-, Vorrats- und Stallschädlingsbekämpfung kommen sollte, wäre der/die professionelle Bekämpfer/in in besonderem Maße gefordert, alle dadurch entstehenden Indikationslücken fachlich sachgerecht und rechtskonform über eine alternative Mittel- und/oder Verfahrensauswahl abzudecken. Zumin
Erst die fundierte Aus- und Fortbildung ermöglicht dem/der Bekämpfer/in einen ausreichenden Einblick in die Komplexität seines/ihres Arbeitsfeldes. Dazu reichen die entsprechenden Kursbesuche und eine erfolgreich bestandene Prüfung allein nicht aus. In vielen Teilbereichen der Schädlingsbekämpfung wie denen des Gesundheits- sowie Tiergesundheits- und Wohlbefindensschutzes (Mensch und Tier), insbesondere denen in der Human- und Veterinär-, der Lebensmittel- und der Futtermittel- sowie der Tierkörperbeseitigungs- und der Abfallhygiene müssen Spezialkenntnisse zusätzlich erarbeitet werden. Darüber hinaus sind hohe praktische Flexibilität und ein gewisses Maß an einschlägiger Rechtskunde eine der wesentlichsten Voraussetzungen für die Umsetzung u. a. der Vorschriften der zwischen 2001 und 2004 ergangenen Rechtsverordnungen auf EU-Rechtsgrundlage zur Lebens- und Futtermittelhygiene. Das Gleiche gilt für das Umgehen mit den zunehmenden Sach- und Rechtszwängen, mit denen die Schädlingsbekämpfung sich auf den Feldern der Human- und Tierinfektions-, insbesondere der Seuchenabwehr, des Pflanzen-, Vorrats-, Material- oder Arbeitsschutzes sowie des Chemikalien- inklusive des Biozidrechts aktuell konfrontiert sieht.
Ein/e Bekämpfer/in muss auf der Grundlage seiner/ihrer Ausbildung auch in der Lage sein, an der gleichen Bekämpfungsörtlichkeit auftretende Grenzsituationen zu beherrschen wie die zwischen zwei Anwendungs- und Rechtszugehörigkeitsfeldern. Beispiel: die zwischen Lebensmittelhygiene und Vorratsschutz oder die zwischen Stall- und Lebens- und/oder Futtermittelhygiene. Er/sie muss dazu die entsprechende Mittel- und Verfahrensauswahl nach unterschiedlichen Prinzipien der Bekämpfung mit dem Ziel der Befallstilgung treffen können. Ggf. kann sogar die alleinige oder die zusätzliche Vornahme einer wirksamen Schädlingsprophylaxe gegen Dauereinschleppungen von tierischen Schädlingen erforderlich sein. Deren Notwendigkeit ist zu begründen und zu belegen. Schon die Planung und Organisation der Maßnahmen erfordert für jedes der o. g. Teilgebiete vom/von der Bekämpfer/in eingehende Spezialkenntnisse und situationskonforme Deutung von morphologischen, physiologischen und Verhaltenscharakteristika der Zielschädlinge. Entsprechendes trifft auf die schädigenden Folgen der Einwirkung von Mitteln und Verfahren auf Zieltiere, Mittelapplizierer, Dritte und Nichtzieltiere zu. Ein Ziel der Aus- und der Fortbildung ist daher die Entwicklung der Fähigkeit zur sachgerechten Zuordnung so erzeugter pathologischer Bilder und Reaktionen. Das Gleiche gilt für andere durch Bekämpfungen und für durch Zieltiere verursachte Schadensereignisse.
Die Aus- und Fortbildung der Bekämpfer über Lehrliteratur wie die vorliegende dient zudem der rechtskonformen Schulung der Fähigkeit zur Einleitung bzw. Veranlassung der notwendigen Erste-Hilfe- sowie von Maßnahmen zum Schutz gegen eine bzw. zur sachgerechten Beseitigung einer rechtlich nicht vertretbaren Kontamination auf unterschiedlichen Materialien.
Aus- und Fortbildungsschriften mit zusammenfassendem Charakter in Bezug auf die wichtigsten Thematiken der Schädlingsbekämpfung sind auch wegen der breiten Streuung der einschlägigen nationalen und der internationalen Fachliteratur erforderlich. Allein im nicht-agrarischen Sektor der Schädlingsbekämpfung sind die Arbeiten über >1100 Zeitschriften und Einzelpublikationen verteilt. In ihnen werden entsprechende Einzelprobleme aus der Siedlungs-, Personal-, Lebens-, Futter-, Wohn-, Stall-, Tierkörperbeseitigungs- bzw. Abfallhygiene, Mikrobiologie, Parasitologie,
Berlin, September 2006 |
Dr. Godehard Hoffmann, Ass.-Prof. a.D., Dir.u.Prof. a.D. (ehem. Fachgebietsleiter im ehem. Bundesgesundheits- und im Umweltbundesamt) |