1856

Delegierte Verordnung (EU) 2023/905 der Kommission zur Ergänzung der Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Anwendung des Verbots der Verwendung bestimmter antimikrobieller Arzneimittel in Bezug auf Tiere oder Erzeugnisse tierischen Ursprungs, die aus Drittländern in die Union ausgeführt werden

Vom 27. Februar 2023

nicht-amtliches Inhaltsverzeichnis

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION –

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018über Tierarzneimittel und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/82/EG1, insbesondere auf Artikel 118 Absatz 2,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Antimikrobielle Resistenzen stellen eine schwere Bedrohung der öffentlichen Gesundheit dar. Wenn sich eine Resistenz gegen einen antimikrobiellen Wirkstoff entwickelt, der zur Behandlung einer bestimmten Infektion verwendet wird, zu der es keine Behandlungsalternativen gibt, und diese Resistenz sich ausbreitet, hat sie gravierende und potenziell lebensbedrohliche Folgen für den Menschen. Die Gesundheit von Mensch und Tier und die Umwelt hängen zusammen. Daher ist es eines der Ziele der Verordnung (EU) 2019/6, die Ausbreitung antimikrobieller Resistenzen durch konkrete Maßnahmen zur Förderung einer umsichtigen und verantwortungsvollen Verwendung antimikrobieller Arzneimittel bei Tieren einzudämmen.

(2)

Die Verwendung antimikrobieller Arzneimittel zur Förderung des Wachstums oder zur Erhöhung der Ertragsleistung ist weder umsichtig noch verantwortungsvoll. Wie aus dem umfangreichen Bestand wissenschaftlicher Literatur hervorgeht, kann ihre Verwendung zu solchen Zwecken antimikrobielle Resistenzen verursachen. Daher ist nach der Verordnung (EU) 2019/6 die Verwendung antimikrobieller Arzneimittel zur Förderung des Wachstums oder zur Erhöhung der Ertragsleistung verboten; dies schließt sowohl in Tierarzneimitteln als auch in Humanarzneimitteln enthaltene antimikrobielle Wirkstoffe ein.

(3)

Darüber hinaus ist in der Verordnung (EU) 2019/6 das Verfahren zur Bestimmung bestimmter antimikrobieller Mittel, die der Behandlung von Infektionen beim Menschen vorbehalten bleiben sollen, festgelegt. Diese dürfen in antimikrobiellen Arzneimitteln, die Tieren verabreicht werden, nicht verwendet werden. Mit dieser Maßnahme soll die Wirksamkeit bestimmter antimikrobieller Mittel, die zur Behandlung von Infektionen beim Menschen eingesetzt werden, erhalten werden, insbesondere derjenigen, die als Reserveantibiotika gelten. Kriterien für die Bestimmung antimikrobieller Wirkstoffe, die der Behandlung bestimmter Infektionen beim Menschen vorbehalten sind, sind in der Delegierten Verordnung (EU) 2021/1760 der Kommission2 festgelegt, und die Liste der antimikrobiellen Wirkstoffe, die der Behandlung bestimmter Infektionen beim Menschen vorbehalten sind, ist in der Durchführungs­verordnung (EU) 2022/1255 der Kommission3 enthalten.

(4)

Auch die internationale Dimension der Entwicklung antimikrobieller Resistenzen sollte berücksichtigt werden. Insbesondere ist in Artikel 118 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2019/6 festgelegt, dass Unternehmer in Drittländern in Bezug auf Tiere oder Erzeugnisse tierischen Ursprungs, die aus Drittländern in die Union ausgeführt werden, weder antimikrobielle Arzneimittel zur Förderung des Wachstums oder zur Erhöhung der Ertragsleistung einsetzen noch die antimikrobiellen Wirkstoffe oder Gruppen antimikrobieller Wirkstoffe, für die festgelegt wurde, dass sie der Behandlung von Infektionen beim Menschen vorbehalten sind, verwenden dürfen.

(5)

Tierarzneimittel werden auch in Arzneifuttermitteln oral verabreicht. Daher sollte das Verbot der Verwendung bestimmter antimikrobieller Arzneimittel in Bezug auf Tiere oder Erzeugnisse tierischen Ursprungs, die aus Drittländern in die Union ausgeführt werden, auch dann gelten, wenn solche antimikrobiellen Arzneimittel im Wege von Arzneifuttermitteln verabreicht werden.

(6)

Ein robustes Kontrollsystem für Tiere oder Erzeugnisse tierischen Ursprungs, die aus Drittländern in die Union ausgeführt werden, ist von entscheidender Bedeutung dafür, dass die Einhaltung der Anforderungen der Verordnung (EU) 2019/6 gewährleistet ist. Innerhalb des Rechtsrahmens der Union für Tierarzneimittel gibt es kein spezifisches Kontrollsystem für die Einfuhr von Tieren oder Erzeugnissen tierischen Ursprungs. Die Einrichtung eines solchen eigenen Kontrollrahmens hätte erhebliche Ressourcen und Zeit erfordert. Darüber hinaus hätte dies den Aufwand für die zuständigen Behörden und auch die betroffenen Wirtschaftsakteure verdoppelt. Aus Gründen der Wirksamkeit und des Bürokratieabbaus soll der bestehende Unionsrahmen für amtliche Kontrollen dazu genutzt werden, die Einhaltung der Verordnung (EU) 2019/6 bei Tieren oder Erzeugnissen tierischen Ursprungs, die aus Drittländern in die Union eingeführt werden, zu überprüfen. Zu diesem Zweck wurde die Verordnung (EU) 2017/625 des Europäischen Parlaments und des Rates4 durch die Verordnung (EU) 2021/17565 geändert. Somit erfolgt die Überprüfung der Einhaltung der Anforderungen gemäß Artikel 118 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2019/6 im Einklang mit der Verordnung (EU) 2017/625.

(7)

Es sollte eindeutig dargelegt werden, welche Sendungen von Tieren oder Erzeugnissen tierischen Ursprungs, die in die Union verbracht werden, unter das Verbot sowohl der Verwendung antimikrobieller Arzneimittel zur Förderung des Wachstums oder zur Erhöhung der Ertragsleistung als auch der Verwendung antimikrobieller Mittel, die der Behandlung bestimmter Infektionen beim Menschen vorbehalten sind, fallen. Daher sollte die vorliegende Delegierte Verordnung detaillierte Vorschriften zu dem Verbot gemäß Artikel 118 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2019/6 enthalten.

(8)

Der – bezogen auf die Menge – allergrößte Teil des Verbrauchs antimikrobieller Mittel bei Tieren betrifft Tiere, die der Lebensmittelgewinnung dienen. Zudem gibt es immer zahlreichere wissenschaftliche Belege dafür, dass die Verwendung solcher Mittel bei der Lebensmittelgewinnung dienenden Tieren die Entwicklung antimikrobieller Resistenzen befördert. Will man diese bekämpfen, gilt es also, gezielt gegen die Verwendung antimikrobieller Arzneimittel bei der Lebensmittelgewinnung dienenden Tieren oder bei für den menschlichen Verzehr bestimmten Erzeugnissen tierischen Ursprungs tätig zu werden. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit werden solche Maßnahmen wirksam dazu beitragen, die internationale Dimension dieser Problematik anzugehen und gleichzeitig die Folgen für den Handel zu minimieren.

(9)

Darüber hinaus sollte präzisiert werden, dass das Verbot der Verwendung bestimmter antimikrobieller Mittel gemäß Artikel 118 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2019/6 der Lebensmittelgewinnung dienende Tiere oder für den menschlichen Verzehr bestimmte Erzeugnisse tierischen Ursprungs betrifft, die aus Drittländern in die Union ausgeführt werden. Zur Gewährleistung der Rechtssicherheit sollten die betreffenden Tiere und Erzeugnisse tierischen Ursprungs durch Angabe der Codes der Kombinierten Nomenklatur gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates6 identifiziert werden.

(10)

Sendungen von betroffenen Tieren oder Erzeugnissen, die nur für die Durchfuhr bestimmt sind, sowie betroffene Erzeugnisse, die zur Entnahme von Proben für Produktanalysen und Qualitätsprüfungen bestimmt sind und nicht in Verkehr gebracht werden, sollten nicht unter diese Verordnung fallen.

(11)

Sendungen der betroffenen Tiere oder Erzeugnisse, die aus Drittländern in die Union ausgeführt werden, sollten denselben Beschränkungen unterliegen, die in der Union in Bezug auf die Ziele des Artikels 107 Absatz 2 und des Artikels 37 Absatz 5 der Verordnung (EU) 2019/6 gelten. Zu diesem Zweck sollten Sendungen der betreffenden Tiere oder Erzeugnisse nur dann in die Union verbracht werden dürfen, wenn die Drittländer oder Gebiete derselben, aus denen diese Tiere oder Erzeugnisse stammen, die Einhaltung des Verbots sowohl der Verwendung antimikrobieller Arzneimittel zur Förderung des Wachstums oder zur Erhöhung der Ertragsleistung als auch der Verwendung antimikrobieller Mittel, die der Behandlung bestimmter Infektionen beim Menschen vorbehalten sind, sicherstellen können.

(12)

Drittländer oder Drittlandsgebiete, die diese Anforderungen erfüllen, sind in eine von der Kommission im Wege von Durchführungsrechtsakten gemäß Artikel 127 der Verordnung (EU) 2017/625 zu erstellende Liste aufzunehmen. Die Aufnahme von Drittländern oder Drittlandsgebieten in diese Liste erfolgt auf der Grundlage der verfügbaren Nachweise und Garantien dafür, dass bei den betreffenden Tieren oder von ihnen gewonnenen Erzeugnissen das Unionsverbot sowohl der Verwendung antimikrobieller Arzneimittel zur Förderung des Wachstums oder zur Erhöhung der Ertragsleistung als auch der Verwendung antimikrobieller Mittel, die der Behandlung bestimmter Infektionen beim Menschen vorbehalten sind, eingehalten ist.

(13)

Sendungen der betreffenden Tiere oder Erzeugnisse, die aus Drittländern, welche gemäß Artikel 127 der Verordnung (EU) 2017/625 gelistet sind, in die Union verbracht werden, sollten auch von einer amtlichen Bescheinigung begleitet sein, in der bestätigt wird, dass das Verbot sowohl der Verwendung antimikrobieller Arzneimittel zur Förderung des Wachstums oder zur Erhöhung der Ertragsleistung als auch der Verwendung antimikrobieller Mittel, die der Behandlung bestimmter Infektionen beim Menschen vorbehalten sind, eingehalten wurde.

(14)

Die Kommission sollte im Einklang mit der Verordnung (EU) 2017/625 im Wege von Durchführungsrechtsakten spezifische Anforderungen an die amtlichen Bescheinigungen erlassen.

(15)

Die Bedingungen für den Eingang der Sendungen von betroffenen Tieren oder Erzeugnissen in die Union werden den Unternehmern in Drittländern zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Verordnung bekannt sein. Die praktische Anwendung des in dieser Verordnung festgelegten Rahmens erfordert jedoch den Erlass weiterer Durchführungsmaßnahmen. Im Interesse der Planbarkeit und Rechtssicherheit und um den betroffenen Interessenträgern ausreichend Zeit für die Erfüllung der Unionsanforderungen einzuräumen, sollte der Geltungsbeginn der in dieser Verordnung festgelegten Bedingungen für den Eingang von Sendungen von Tieren oder Erzeugnissen in die Union aufgeschoben werden –

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:


1

ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 43.

2

Delegierte Verordnung (EU) 2021/1760 der Kommission vom 26. Mai 2021 zur Ergänzung der Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates durch die Festlegung der Kriterien für die Bestimmung antimikrobieller Wirkstoffe, die der Behandlung bestimmter Infektionen beim Menschen vorbehalten bleiben müssen (ABl. L 353 vom 6.10.2021, S. 1).

3

Durchführungs­verordnung (EU) 2022/1255 der Kommission vom 19. Juli 2022 zur Bestimmung von antimikrobiellen Wirkstoffen oder von Gruppen antimikrobieller Wirkstoffe, die gemäß der Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates der Behandlung bestimmter Infektionen beim Menschen vorbehalten bleiben müssen (ABl. L 191 vom 20.7.2022, S. 58).

4

Verordnung (EU) 2017/625 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 über amtliche Kontrollen und andere amtliche Tätigkeiten zur Gewährleistung der Anwendung des Lebens- und Futtermittelrechts und der Vorschriften über Tiergesundheit und Tierschutz, Pflanzengesundheit und Pflanzenschutzmittel, zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 999/2001, (EG) Nr. 396/2005, (EG) Nr. 1069/2009, (EG) Nr. 1107/2009, (EU) Nr. 1151/2012, (EU) Nr. 652/2014, (EU) 2016/429 und (EU) 2016/2031 des Europäischen Parlaments und des Rates, der Verordnungen (EG) Nr. 1/2005 und (EG) Nr. 1099/2009 des Rates sowie der Richtlinien 98/58/EG, 1999/74/EG, 2007/43/EG, 2008/119/EG und 2008/120/EG des Rates und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 854/2004 und (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 89/608/EWG, 89/662/EWG, 90/425/EWG, 91/496/EWG, 96/23/EG, 96/93/EG und 97/78/EG des Rates und des Beschlusses 92/438/EWG des Rates (Verordnung über amtliche Kontrollen) (ABl. L 95 vom 7.4.2017, S. 1).

5

Verordnung (EU) 2021/1756 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Oktober 2021 zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/625 hinsichtlich der amtlichen Kontrollen von Tieren und Erzeugnissen tierischen Ursprungs, die aus Drittländern in die Union ausgeführt werden, um die Einhaltung des Verbots bestimmter Verwendungen antimikrobieller Wirkstoffe sicherzustellen, und der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 hinsichtlich der direkten Abgabe von Fleisch von Geflügel und Hasentieren (ABl. L 357 vom 8.10.2021, S. 27).

6

Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 256 vom 7.9.1987, S. 1).