Vorwort

Auf die wichtige Frage, ob eine bestimmte Werbeaussage bei kosmetischen Mitteln zulässig ist, bekommen Sie von Kollegen aus der Produktentwicklung oder der Rechtsabteilung, von Behörden- und Verbandsvertretern und erst recht vom Rechtsanwalt zu hören, dass dies so pauschal nicht zu beantworten sei oder: „das kommt darauf an …“. Aber worauf kommt es an? – Auf den im konkreten Einzelfall beim Durchschnittsverbraucher erweckten Gesamteindruck. Es gilt, die verschiedenen Bestandteile einer Werbung insgesamt zu prüfen, um festzustellen, ob ein normal informierter, vernünftig aufmerksamer und kritischer Verbraucher über das Beworbene irregeführt werden kann. Bei dieser Prüfung sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union „die verwendeten Begriffe und Abbildungen sowie Platzierung, Größe, Farbe, Schriftart, Sprache, Syntax und Zeichensetzung der verschiedenen Elemente“ auf der Verpackung bzw. in der Werbemaßnahme zu berücksichtigen. Die Bewertung einer einzelnen Werbeaussage kann deshalb nur ein Schritt auf dem Weg zur Freigabe des Packmittels oder der Werbemaßnahme sein.

Andererseits greifen Untersuchungsämter, Mitbewerber und Wettbewerbsvereine sowie Verbraucherschützer oftmals nur eine einzelne Aussage oder sogar nur einzelne Worte bzw. Begriffe an, weil sie darin ein unzulässiges Verhalten des werbenden Unternehmens erkennen wollen. Mit solchen Angriffen und folglich mit der Verteidigung einzelner Aussagen bzw. Begriffe muss sich ein werbendes Kosmetikunternehmen im Alltag auseinandersetzen. Dabei geht es in der Praxis oftmals nicht darum, ob man Recht hat bzw. bekommt, sondern darum, ob der Vertrieb des/der jeweiligen Produkts/e fortgeführt werden kann. Man muss es sich leisten können, sein Recht zu verteidigen, weshalb im Vorfeld von Werbemaßnahmen eine Bewertung des damit verbundenen Risikos sehr wichtig sein kann. Im Rahmen einer solchen Risikobewertung stellt sich folglich nicht nur die Frage, was erlaubt ist, sondern darüber hinaus kommt es auch darauf an, ob eine Beanstandung oder eine Abmahnung droht. Denn auch wenn eine Beanstandung oder Abmahnung im Ergebnis erfolgreich abgewehrt werden kann, sind damit zunächst Beeinträchtigungen und Kosten verbunden, die vom allgemeinen Unternehmensrisiko zu tragen sind. Aber nicht jedes Unternehmen kann oder will dieses Risiko tragen. Seitenwechsel

Trotz der eingangs dargestellten Erkenntnis, dass die isolierte Betrachtung einzelner Aussagen und die Beantwortung pauschaler Fragen im konkreten Einzelfall regelmäßig nicht ausreichend sein wird, habe ich mich dennoch dazu entschlossen, die vorliegende „Fragen & Antworten“-Broschüre zu verfassen, um Ihnen für die alltägliche Praxis und die im Einzelfall gebotene Risikobewertung eine Orientierungshilfe zu geben. Sie werden in diesem Buch natürlich nicht alle Fragen und auch nicht alle – insbesondere von Ihnen vielleicht erhofften – Antworten finden. Nutzen Sie dieses Werk vielmehr als mahnenden Berater und zugleich als Inspiration und bedenken Sie dabei, dass die Grenzen „fließend“ sind.

Ohne dieses Werk damit auf dieselbe Stufe stellen zu wollen, möchte ich an dieser Stelle aus dem Disclaimer des „Technical document on cosmetic claims“ der Sub-Working Group on Claims zitieren: „This document shall only serve as „tool“ and is a collection of best practice for the case-by-case application of union legislation … It is for the national competent authorities and national courts to asses on a case-by-case basis which claims made in relation to cosmetic products are allowed.“

Ich hoffe, dass Sie dieses „Tool“ gut gebrauchen können und bin Ihnen für Anregungen und neue Fragen sehr dankbar. Abschließend möchte ich mich noch bei Frau Dr. Christine Gardyan für ihre engagierte Unterstützung bedanken.

München im Juli 2020

Andreas Reinhart Seitenwechsel