XI-6.1 neu

Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates über den Schutz von Tieren beim Transport und damit zusammenhängenden Vorgängen sowie zur Änderung der Richtlinien 64/432/EWG und 93/119/EG und der Verordnung (EG) Nr. 1255/97

Vom 22. Dezember 2004

(ABl. 2005 Nr. L 3/1), zul. ber. durch ABl. 2017 Nr. L 226/31 vom 1.9.2017
Änderungshistorienicht-amtliches Inhaltsverzeichnis

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION –

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 37,

auf Vorschlag der Kommission,

nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments1,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses2,

nach Anhörung des Ausschusses der Regionen,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1) Gemäß dem Protokoll über den Tierschutz und das Wohlergehen der Tiere im Anhang des Vertrags tragen die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten bei der Festlegung und Durchführung der Politik der Gemeinschaft in den Bereichen Landwirtschaft und Verkehr den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere in vollem Umfang Rechnung.

(2) Mit der Richtlinie 91/628/EWG vom 19. November 1991 über den Schutz von Tieren beim Transport3 hat der Rat im Bereich des Transports von Tieren Vorschriften erlassen, um die technischen Hemmnisse im Handel mit lebenden Tieren zu beseitigen und das reibungslose Funktionieren der jeweiligen Marktorganisationen sowie den angemessenen Schutz der betroffenen Tiere zu gewährleisten.

(3) In ihrem gemäß der Richtlinie 91/628/EWG erstellten Bericht an das Europäische Parlament und den Rat über die Erfahrungen, die von den Mitgliedstaaten seit der Umsetzung der Richtlinie 95/29/EG des Rates vom 29. Juni 1995 zur Änderung der Richtlinie 91/628/EWG über den Schutz von Tieren beim Transport4 gesammelt wurden, hat die Kommission empfohlen, die geltenden Gemeinschaftsvorschriften in diesem Bereich zu aktualisieren.

(4) Die meisten Mitgliedstaaten haben das Europäische Übereinkommen zum Schutz von Tieren beim internationalen Transport ratifiziert, und der Rat hat die Kommission beauftragt, im Namen der Gemeinschaft eine überarbeitete Fassung dieses Übereinkommens auszuhandeln.

(5) Aus Tierschutzgründen sollten lange Beförderungen von Tieren – auch von Schlachttieren – auf ein Mindestmaß begrenzt werden.

(6) Der Rat hat die Kommission am 19. Juni 20015 aufgefordert, durch geeignete Vorschläge dafür zu sorgen, dass die bestehenden Rechtsvorschriften wirksam angewandt werden und eine strenge Überwachung der Einhaltung dieser Vorschriften gewährleistet ist, dass neue Initiativen zur Verbesserung des Schutzes und der artgerechten Behandlung der Tiere wie auch zur Verhinderung des Ausbruchs und der Ausbreitung von Tierseuchen ins Auge gefasst werden und dass im Interesse einer artgerechten Tierbehandlung und zum Schutz der Gesundheit der Tiere während und nach dem Transport strengere Vorschriften eingeführt werden, um den Tieren Schmerzen und Leiden zu ersparen.

(7) Das Europäische Parlament hat die Kommission am 13. November 2001 aufgefordert, Vorschläge zur Änderung der geltenden Gemeinschaftsvorschriften zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere vorzulegen, um sicherzustellen, dass

der zuständige wissenschaftliche Ausschuss zur Dauer von Tiertransporten konsultiert wird;

ein einheitliches Muster für einen Europäischen Zulassungsnachweis für Transportunternehmen festgelegt wird und Transportpläne für lange Beförderungen harmonisiert werden;

alle Personen, die während eines Transports mit den betreffenden Tieren umgehen, einen von den zuständigen Behörden anerkannten Lehrgang absolviert haben und

im Rahmen der Veterinärkontrollen an den Grenzkontrollstellen der Gemeinschaft auch genau kontrolliert wird, unter welchen Bedingungen die Tiere transportiert werden.

(8) Der Wissenschaftliche Ausschuss für Tiergesundheit und Tierschutz hat am 11. März 2002 eine Stellungnahme zum Schutz von Tieren beim Transport abgegeben. Auf der Grundlage dieser Stellungnahme sollten die geltenden Gemeinschaftsvorschriften geändert werden, um neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung zu tragen, wobei jedoch gewährleistet sein muss, dass diese Neuerungen in nächster Zukunft effektiv durchgesetzt werden können.

(9) Für Geflügel, Katzen und Hunde werden geeignete Sonderbestimmungen vorgeschlagen, sobald die diesbezüglichen Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) vorliegen.

(10) In Anbetracht der Erfahrungen im Rahmen der Richtlinie 91/628/EWG mit der Harmonisierung der Gemeinschaftsvorschriften für den Transport von Tieren und der Schwierigkeiten infolge der uneinheitlichen Umsetzung der Richtlinie in einzelstaatliches Recht empfiehlt es sich, zusätzliche Gemeinschaftsvorschriften in Form einer Verordnung festzulegen. Bis zur Annahme ausführlicher Bestimmungen für bestimmte Tierarten mit besonderen Bedürfnissen, die nur einen sehr kleinen Teil der Tierbestände in der Gemeinschaft ausmachen, sollte den Mitgliedstaaten gestattet sein, für den Transport der betreffenden Tiere zusätzliche nationale Vorschriften zu erlassen bzw. beizubehalten.

(11) Zur Gewährleistung einer gemeinschaftsweit einheitlichen und wirksamen Anwendung dieser Verordnung entsprechend ihrem Grundsatz, wonach ein Transport von Tieren nicht durchgeführt werden darf, wenn den Tieren dabei Verletzungen oder unnötige Leiden zugefügt werden könnten, empfiehlt es sich, detaillierte Vorschriften im Hinblick auf die besonderen Erfordernisse festzulegen, die sich im Zusammenhang mit den verschiedenen Transportarten ergeben. Diese detaillierten Vorschriften sind gemäß dem vorstehenden Grundsatz auszulegen und anzuwenden und müssen rechtzeitig aktualisiert werden, wenn sie – insbesondere im Lichte neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse – in Bezug auf bestimmte Tierarten oder Transportweisen die Einhaltung dieses Grundsatzes nicht mehr zu gewährleisten scheinen.

(12) Der Transport zu kommerziellen Zwecken beschränkt sich nicht auf Fälle, in denen unmittelbar ein Austausch von Geld, Gütern oder Dienstleistungen erfolgt. Er schließt insbesondere auch Fälle ein, in denen direkt oder indirekt ein Gewinn entsteht bzw. angestrebt wird.

(13) Das Entladen und anschließende Wiederverladen kann für die Tiere ebenfalls mit Stress verbunden sein, und der Kontakt an Kontrollstellen, früher als „Aufenthaltsort“ bezeichnet, kann unter bestimmten Bedingungen zur Übertragung von Krankheitserregern führen. Daher sind spezifische Vorschriften zum Schutz der Gesundheit und des Wohlbefindens der Tiere während der Ruhezeiten an Kontrollstellen zu erlassen. Infolge dessen sind die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1255/97 des Rates vom 25. Juni 1997 zur Festlegung gemeinschaftlicher Kriterien für Aufenthaltsorte und zur Anpassung des im Anhang der Richtlinie 91/628/EWG vorgesehenen Transportplans6 zu ändern.

(14) Beeinträchtigungen des Wohlbefindens der Tiere sind häufig auf mangelnde Sachkenntnis zurückzuführen. Eine sachgemäße Schulung sollte daher allen Personen, die während des Transports mit den Tieren umgehen, zur Auflage gemacht und nur von behördlich zugelassenen Einrichtungen angeboten werden.

(15) Das Wohlbefinden von Tieren beim Transport hängt in erster Linie von der alltäglichen Vorgehensweise der Transportunternehmer ab. Kontrollen durch die zuständigen Behörden werden mitunter behindert, weil Transportunternehmer in verschiedenen Mitgliedstaaten uneingeschränkt tätig sein können. Diese Unternehmen sollten daher stärker zur Rechenschaft gezogen und hinsichtlich ihrer Rechtsstellung und Tätigkeiten transparenter werden. Sie sollten insbesondere ihre Zulassung nachweisen können, Probleme systematisch melden und über ihre Tätigkeiten und deren Folgen genau Buch führen.

(16) Bei Tiertransporten sind nicht nur Transportunternehmer, sondern auch Tierhalter, Händler, Sammelstellen und Schlachthöfe involviert. Die Tierschutzverpflichtung sollte daher in bestimmten Punkten auf alle an einem Tiertransport Beteiligten ausgedehnt werden.

(17) Sammelstellen spielen beim Transport bestimmter Tierarten eine wesentliche Rolle. Daher muss gewährleistet werden, dass die Gemeinschaftsvorschriften zum Schutz von Tieren beim Transport den Sammelstellen bekannt sind und von deren Angestellten und Besuchern eingehalten werden.

(18) Es ist davon auszugehen, dass sich lange Beförderungen auf das Befinden der beförderten Tiere nachteiliger auswirken als kurze. Es sollten daher Verfahren festgelegt werden, die eine bessere Durchsetzung der Tierschutznormen gewährleisten, insbesondere durch Verbesserung der Rückverfolgbarkeit.

(19) In der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 vom 20. Dezember 1985 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr7 sind Höchstlenkzeiten und Mindestruhezeiten für Fahrer von Straßenfahrzeugen vorgesehen. Es empfiehlt sich, entsprechend auch Tierbeförderungen zu regeln. Gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr8 müssen Aufzeichnungsgeräte installiert und verwendet werden, um sicherzustellen, dass die Sozialvorschriften im Straßenverkehr eingehalten werden. Es ist angezeigt, dass diese Aufzeichnungen zugänglich gemacht und überprüft werden, um Fahrtzeitbegrenzungen im Rahmen der Tierschutzgesetzgebung durchsetzen zu können.

(20) Ein unzulänglicher Informationsaustausch zwischen den zuständigen Behörden führt zwangsläufig zu einer mangelhaften Durchsetzung der Gemeinschaftsvorschriften zum Schutz von Tieren beim Transport. Es sollten daher flexible Verfahren zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden der verschiedenen Mitgliedstaaten festgelegt werden.

(21) Registrierte Equiden im Sinne des Artikels 2 Buchstabe c) der Richtlinie 90/426/EWG des Rates vom 26. Juni 1990 zur Festlegung der tierseuchenrechtlichen Vorschriften für das Verbringen von Equiden und für ihre Einfuhr aus Drittländern9 werden oft zu nichtkommerziellen Zwecken transportiert; solche Transporte müssen im Einklang mit den übergeordneten Zielen der vorliegenden Verordnung ausgeführt werden. Angesichts der Besonderheiten dieser Bewegungen erscheint es angemessen, Ausnahmen von bestimmten Vorschriften für die Fälle zuzulassen, in denen registrierte Equiden zur Teilnahme an Wettbewerben, Rennen, kulturellen Veranstaltungen oder zu Zuchtzwecken transportiert werden. Diese Ausnahmen sollten jedoch nicht auf Equiden angewandt werden, die direkt oder über einen Markt oder eine Sammelstelle in einen Schlachthof verbracht und dort geschlachtet werden, da solche Equiden nach Artikel 2 Buchstabe d) und Artikel 8 Absatz 1 zweiter Spiegelstrich der Richtlinie 90/426/EWG als Schlachttiere zu betrachten sind.

(22) Die unzulängliche Ahndung von Verstößen gegen die Tierschutzvorschriften fördert das Umgehen dieser Vorschriften und führt letztendlich zu Wettbewerbsverzerrungen. Daher sollten gemeinschaftsweit einheitliche Kontrollverfahren und Sanktionen für den Fall des Verstoßes gegen die Tierschutzvorschriften festgelegt werden. Die Mitgliedstaaten sollten auch Sanktionen für Verstöße gegen diese Verordnung vorsehen und dafür Sorge tragen, dass sie ordnungsgemäß angewendet werden. Die Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.

(23) Eine beträchtliche Anzahl Tiere wird auf Schiffen mit sehr langen Fahrtzeiten in die und innerhalb der Gemeinschaft transportiert, und Seetransporte können am Versandort kontrolliert werden. Daher sollten unbedingt besondere Vorschriften und Normen für diese Transportart festgelegt werden.

(24) Im Interesse der Kohärenz der Gemeinschaftsvorschriften sollte die Richtlinie 64/432/EWG des Rates vom 26. Juni 1964 zur Regelung viehseuchenrechtlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit Rindern und Schweinen10 geändert werden, um sie hinsichtlich der Zulassung von Sammelstellen und der Anforderungen an Transportunternehmer mit dieser Verordnung in Einklang zu bringen.

(25) Die Richtlinie 93/119/EG des Rates vom 22. Dezember 1993 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Schlachtung oder Tötung11 sollte ebenfalls geändert werden, um sie hinsichtlich der Verwendung elektrischer Treibhilfen mit dieser Verordnung in Einklang zu bringen.

(26) Die Vorschriften und Informationsverfahren gemäß der Richtlinie 89/608/EWG des Rates vom 21. November 1989 betreffend die gegenseitige Unterstützung der Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten und die Zusammenarbeit dieser Behörden mit der Kommission, um die ordnungsgemäße Anwendung der tierärztlichen und tierzuchtrechtlichen Vorschriften zu gewährleisten12, sollten auf den Schutz von Tieren beim Transport angewandt werden, um Übereinstimmung mit dieser Verordnung zu garantieren.

(27) Die Entscheidung 98/139/EG der Kommission13 enthält Durchführungsbestimmungen zu den von Sachverständigen der Kommission in den Mitgliedstaaten vor Ort durchgeführten Kontrollen im Veterinärbereich, die auch für die Sicherstellung der einheitlichen Anwendung dieser Verordnung maßgeblich sein sollten.

(28) Diese Verordnung enthält Vorschriften für die Belüftung von Straßenfahrzeugen, in denen lebende Tiere lange befördert werden. Die Verordnung (EG) Nr. 411/98 des Rates vom 16. Februar 1998 mit zusätzlichen Tierschutzvorschriften für Straßenfahrzeuge zur Beförderung von Tieren während mehr als acht Stunden14 sollte daher aufgehoben werden.

(29) Es sollte ein einfaches Verfahren vorgesehen werden, nach dem der Rat bestimmte wichtige technische Vorschriften dieser Verordnung insbesondere im Lichte einer Bewertung ihrer Auswirkungen auf den Transport lebender Tiere in der erweiterten Gemeinschaft aktualisiert und die Spezifikationen des Navigationssystems, die in Bezug auf alle Straßentransportmittel anzuwenden sind, im Lichte der künftigen technologischen Entwicklungen in diesem Bereich, wie etwa der Validierung des Galileo-Systems, festlegt.

(30) Es sollte die Möglichkeit von Ausnahmeregelungen vorgesehen werden, um der Abgelegenheit bestimmter Gebiete vom Kerngebiet der Gemeinschaft, insbesondere der in Artikel 299 des Vertrags genannten Gebiete in äußerster Randlage, Rechnung zu tragen.

(31) Die zur Durchführung dieser Verordnung erforderlichen Maßnahmen sollten gemäß dem Beschluss 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse15 erlassen werden –

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:


1

Stellungnahme vom 30. März 2004 (ABl. C 103E vom 29.4.2004, S. 412).

2

ABl. C 110 vom 30. 4. 2004, S. 135.

3

ABl. L 340 vom 11. 12. 1991, S. 17. Zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 806/2003 (ABl. L 122 vom 16. 5. 2003, S. 1).

4

ABl. L 148 vom 30. 6. 1995, S. 52.

5

ABl. C 273 vom 28. 9. 2001, S. 1.

6

ABl. L 174 vom 2. 7. 1997, S. 1. Zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1040/2003 (ABl. L 151 vom 19. 6. 2003, S. 21).

7

ABl. L 370 vom 31. 12. 1985, S. 1.

8

ABl. L 370 vom 31. 12. 1985, S. 8. Zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 432/2004 der Kommission (ABl. L 71 vom 10. 3. 2004, S. 3).

9

ABl. L 224 vom 18. 8. 1990, S. 42. Zuletzt geändert durch die Richtlinie 2004/68/EG (ABl. L 139 vom 30. 4. 2004, S. 320).

10

ABl. P 121 vom 29. 7. 1964, S. 1977/64. Zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 21/2004 (ABl. L 5 vom 9. 1. 2004, S. 8).

11

ABl. L 340 vom 31. 12. 1993, S. 21. Geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 806/2003 (ABl. L 122 vom 16. 5. 2003, S. 1).

12

ABl. L 351 vom 2. 12. 1989, S. 34.

13

ABl. L 38 vom 12. 2. 1998, S. 10.

14

ABl. L 52 vom 21. 2. 1998, S. 8.

15

ABl. L 184 vom 17. 7. 1999, S. 23.