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II-13.10

Empfehlung (EU) 2022/561 der Kommission betreffend die Überwachung des Vorkommens von Glykoalkaloiden in Kartoffeln und Kartoffelerzeugnissen

Vom 6. April 2022

nicht-amtliches Inhaltsverzeichnis

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION –

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 292,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1) Das Gremium für Kontaminanten in der Lebensmittelkette (CONTAM) der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat 2020 eine Risikobewertung für Glykoalkaloide in Lebens- und Futtermitteln, insbesondere in Kartoffeln und Kartoffelerzeugnissen, angenommen1.

(2) Beim Menschen äußert sich die akute toxische Wirkung von Glykoalkaloiden in Kartoffeln (α-Solanin und α-Chaconin) u. a. durch Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Für diese Wirkung hat das CONTAM-Gremium als niedrigste Dosis, bei der eine schädliche Wirkung beobachtet wurde (LOAEL – Lowest Observed Adverse Effect Level), einen Gehalt von 1 mg Gesamt-Kartoffelglykoalkaloide/kg Körpergewicht pro Tag als Referenzwert für die Risikobeschreibung nach einer akuten Exposition ermittelt. Angesichts einer Sicherheitsmarge für die Exposition (MOE – Margin of Exposure) von über 10 bestehen keine gesundheitlichen Bedenken. Diese MOE von 10 berücksichtigt die Extrapolation von der LOAEL auf die Dosis, bei der keine schädliche Wirkung beobachtet wurde (NOAEL – No Observed Adverse Effect Level) (ein Faktor von 3), sowie die interindividuelle Variabilität bei der Toxikodynamik (ein Faktor von 3,2). Da die Schätzungen der akuten Exposition bei bestimmten Expositionsszenarien eine MOE von weniger als 10 ergaben, bestehen gesundheitliche Bedenken.

(3) Das CONTAM-Gremium empfahl, dass mehr Daten zum Vorkommen von Glykoalkaloiden und ihren Aglykonen in den im Handel erhältlichen Kartoffelsorten, in neuen Kartoffelsorten aus Züchtungsversuchen und in verarbeiteten Kartoffelerzeugnissen, einschließlich Säuglingsnahrung, erhoben werden sollten.

(4) Durch gute landwirtschaftliche Praxis, gute Lagerungs- und Transportbedingungen sowie gute Herstellungspraxis lässt sich das Vorkommen von Glykoalkaloiden in Kartoffeln und verarbeiteten Kartoffelerzeugnissen verringern. Es müssen jedoch weitere Informationen dazu zusammengetragen werden, welche Faktoren zu relativ hohen Gehalten an Glykoalkaloiden in Kartoffeln und verarbeiteten Kartoffelerzeugnissen führen, damit Maßnahmen ermittelt werden können, mit denen sich das Vorkommen von Glykoalkaloiden in diesen Lebensmitteln verhindern oder verringern lässt. Sofern möglich, ist es angezeigt, auch auf die Abbauprodukte β- und γ-Solanin bzw. -Chaconin sowie das Aglykon Solanidin zu untersuchen, insbesondere bei verarbeiteten Kartoffelerzeugnissen, da diese Verbindungen dieselbe Toxizität aufweisen wie α-Solanin und α-Chaconin.

(5) Die Ergebnisse des Monitorings auf Glykoalkaloide müssen zuverlässig und vergleichbar sein. Es ist daher angezeigt, Anweisungen für ihre Extraktion sowie Anforderungen an die Untersuchung auf diese Stoffe festzulegen. Da der Gehalt an Glykoalkaloiden in ungeschälten Kartoffeln höher ist als in geschälten Kartoffeln wie er auch in kleinen Kartoffeln höher ist als in großen, sollten bei der Meldung der Daten über das Vorkommen unbedingt Angaben zu diesen Faktoren gemacht werden.

(6) Um Orientierung dahin gehend geben zu können, wann ermittelt werden sollte, welche Faktoren zu relativ hohen Gehalten an Glykoalkaloiden führen, sollte ein Richtwert für Kartoffeln festgelegt werden. Es ist außerdem angezeigt, mehr Informationen darüber zu gewinnen, wie sich die Verarbeitung auf den Gehalt an Glykoalkaloiden auswirkt.

(7) Daher sollte Folgendes empfohlen werden: das Monitoring von Kartoffeln und Kartoffelerzeugnissen auf Glykoalkaloide und die Ermittlung der Faktoren, die zu hohen Gehalten an diesen Stoffen führen, sowie Zusammentragen weiterer Informationen darüber, wie sich die Verarbeitung auf den Gehalt an Glykoalkaloiden auswirkt.

HAT FOLGENDE EMPFEHLUNG ABGEGEBEN:

(1) Die Mitgliedstaaten sollten unter aktiver Beteiligung der Lebensmittelunternehmer Kartoffeln und Kartoffelerzeugnisse auf die Glykoalkaloide α-Solanin und α-Chaconin überwachen. Nach Möglichkeit sollte auch auf die Abbauprodukte β- und γ-Solanin bzw. -Chaconin sowie auf das Aglykon Solanidin untersucht werden, insbesondere bei verarbeiteten Kartoffelerzeugnissen.

(2) Um den enzymatischen Abbau von α-Chaconin zu verhindern, insbesondere bei der Untersuchung roher (ungeschälter/geschälter) Kartoffeln, sollte den Kartoffeln beim Mischen und Homogenisieren eine Lösung aus 1 % Ameisensäure in Methanol im Verhältnis 1:2 (Volumen:Gewicht) beigemischt werden, bevor die Extraktion und die Aufreinigung erfolgen. Als Untersuchungsmethoden werden die Flüssigchromatografie mit UV-Diodenarray-Detektion (LC-UV-DAD) oder die Flüssigchromatografie mit Massenspektrometrie-Kopplung (LC-MS) empfohlen. Es können andere Untersuchungsmethoden angewandt werden, sofern nachgewiesen ist, dass sie verlässliche Ergebnisse für die einzelnen Glykoalkaloide liefern. Die Quantifizierungsgrenze (LOQ) für die Bestimmung der einzelnen Glykoalkaloide sollte vorzugsweise bei rund 1 mg/kg liegen und 5 mg/kg nicht überschreiten.

(3) Die Mitgliedstaaten sollten unter aktiver Beteiligung der Lebensmittelunternehmer ermitteln, welche Faktoren zu Gehalten führen, die den Richtwert von 100 mg/kg als Summe aus α-Solanin und α-Chaconin in Kartoffeln und verarbeiteten Kartoffelerzeugnissen überschreiten.

(4) Mitgliedstaaten und Lebensmittelunternehmer sollten die Daten für das Vorjahr gemäß den Anforderungen des EFSA-Leitfadens zur „Standard Sample Description (SSD)“ für Lebens- und Futtermittel sowie den zusätzlichen spezifischen Berichterstattungsanforderungen der EFSA2 bis zum 30. Juni eines jeden Jahres zur Einspeicherung in eine einzige Datenbank an die EFSA übermitteln. In Bezug auf Kartoffeln und verarbeitete Kartoffelerzeugnisse sind bei der Meldung unbedingt folgende Angaben zu machen: Sorte und Größe der Kartoffeln (durchschnittliches Gewicht der Kartoffeln, insbesondere bei ungeschälten Knollen), Frühkartoffeln oder Lagerkartoffeln (d. h. reife und/oder über einen längeren Zeitraum gelagerte Kartoffeln), Ort der Probenahme (Erzeuger, Großhandel, Einzelhandel) und ob die Kartoffeln geschält wurden3.


1

CONTAM-Gremium der EFSA (EFSA-Gremium für Kontaminanten in der Lebensmittelkette), 2020. „Scientific Opinion – Risk assessment of glycoalkaloids in feed and food, in particular in potatoes and potato-derived products.“ EFSA Journal 2020;18(8):6222, 190 S. https://doi.org/10.2903/j.efsa.2020.6222.

3

Untersuchungen zu den Auswirkungen des Schälens auf den Gehalt an Glykoalkaloiden sollten mithilfe eines (Kartoffel-)Schälers durchgeführt werden.