1125d

III-1b

Verordnung (EG) Nr. 450/2009 der Kommission über aktive und intelligente Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen

Vom 29. Mai 2009

(ABl. 2009 Nr. L 135/3), ber. durch ABl. 2010 Nr. L 82/3 vom 27.3.2010
nicht-amtliches Inhaltsverzeichnis

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN –

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 2004 über Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen, und zur Aufhebung der Richtlinien 80/590/EWG und 89/109/EWG1, insbesondere auf Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben h, i, l, m und n,

nach Anhörung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1) In der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 ist festgelegt, dass in ihren Geltungsbereich aktive und intelligente Materialien und Gegenstände fallen, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen (aktive und intelligente Materialien und Gegenstände); deshalb sind alle ihre Bestimmungen über Materialien oder Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen (Lebensmittelkontaktmaterialien), auch auf diese Materialien und Gegenstände anwendbar. Ebenso gelten für solche Materialien und Gegenstände gegebenenfalls andere Gemeinschaftsmaßnahmen wie z. B. die Richtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Dezember 2001 über die allgemeine Produktsicherheit2 und deren Durchführungsmaßnahmen sowie die Richtlinie 87/357/EWG des Rates vom 25. Juni 1987 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für Erzeugnisse, deren tatsächliche Beschaffenheit nicht erkennbar ist und die die Gesundheit oder die Sicherheit der Verbraucher gefährden3.

(2) Die Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 stellt allgemeine Grundsätze für die Beseitigung der Unterschiede zwischen den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Lebensmittelkontaktmaterialien auf. Artikel 5 Absatz 1 dieser Verordnung sieht den Erlass von Einzelmaßnahmen für Gruppen von Materialien und Gegenständen vor und beschreibt detailliert das Verfahren für die Zulassung von Stoffen auf Gemeinschaftsebene für den Fall, dass eine Einzelmaßnahme eine Liste zugelassener Stoffe vorsieht.

(3) Bestimmte Vorschriften für aktive und intelligente Materialien und Gegenstände finden sich in der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004. Dazu gehören Vorschriften über freigesetzte aktive Stoffe, die dem einschlägigen gemeinschaftlichen und einzelstaatlichen Lebensmittel- und Kennzeichnungsrecht entsprechen müssen. Spezielle Vorschriften sollten in einer Einzelmaßnahme festgelegt werden.

(4) Die vorliegende Verordnung ist eine Einzelmaßnahme im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004. In ihr sollten die speziellen Vorschriften für aktive und intelligente Materialien und Gegenstände festgelegt werden, die zusätzlich zu den allgemeinen Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 über die sichere Verwendung derselben gelten sollen.

(5) Es gibt viele verschiedene Arten aktiver und intelligenter Materialien und Gegenstände. Die für die aktive und/oder intelligente Funktion verantwortlichen Stoffe können sich in einem separaten Behältnis (z. B. in einem kleinen Papiertütchen) befinden oder direkt im Verpackungsmaterial (zum Beispiel im Kunststoff einer Kunststoffflasche) enthalten sein. Diese für die aktive und/oder intelligente Funktion des Materials oder Gegenstandes verantwortlichen Stoffe (die Bestandteile) sollten gemäß dieser Verordnung bewertet werden. Die passiven Teile – wie etwa das Behältnis, die Verpackung, in der sich das Behältnis befindet, sowie das Verpackungsmaterial, dem der Stoff beigegeben wurde – sollten unter die für diese Materialien und Gegenstände geltenden speziellen Bestimmungen der Gemeinschaft oder der Mitgliedstaaten fallen.

(6) Die aktiven und intelligenten Materialien und Gegenstände können aus mehreren Schichten oder Teilen verschiedener Arten von Materialien – wie etwa Kunststoffen, Papier und Karton oder Beschichtungen und Lacken – bestehen. Die Anforderungen an diese Materialien können auf Gemeinschaftsebene entweder vollständig oder nur teilweise oder auch noch gar nicht harmonisiert sein. Die Vorschriften der vorliegenden Verordnung sollten unbeschadet gemeinschaftlicher oder einzelstaatlicher Bestimmungen zur Regelung dieser Materialien Anwendung finden.

(7) Die einzelnen Stoffe oder gegebenenfalls Kombinationen von Stoffen, welche die Bestandteile bilden, sollten bewertet werden, damit gewährleistet ist, dass sie sicher sind und den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 genügen. In manchen Fällen könnte es notwendig sein, die Kombination von Stoffen zu bewerten und zuzulassen, und zwar wenn die aktive oder intelligente Funktion Interaktionen zwischen verschiedenen Stoffen impliziert, die zu einer verbesserten Funktion oder zur Entstehung neuer, für die aktive und intelligente Funktion verantwortlicher Stoffe führen.

(8) Umfasst eine Einzelmaßnahme ein Verzeichnis von Stoffen, die in der Gemeinschaft zur Verwendung bei der Herstellung von Materialien und Gegenständen, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen, zugelassen sind, so sollten diese Stoffe nach der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 vor ihrer Zulassung einer Sicherheitsbewertung unterzogen werden.

(9) Zweckmäßigerweise sollten Personen, die aktive und intelligente Materialien und Gegenstände oder deren Bestandteile in Verkehr bringen wollen, nämlich die Antragsteller, alle Informationen vorlegen, die für die Sicherheitsbewertung des Stoffes oder gegebenenfalls der Kombination von Stoffen, die den Bestandteil bildet, benötigt werden.

(10) Die Sicherheitsbewertung von Stoffen oder Kombinationen von Stoffen, welche die Bestandteile bilden, sollte von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit („Behörde“) nach Eingang eines gültigen Antrags gemäß den Artikeln 9 und 10 der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 vorgenommen werden. Zwecks Information der Antragsteller über die für die Sicherheitsbewertung benötigten Daten sollte die Behörde detaillierte Leitlinien für die Vorbereitung und Einreichung des Antrags veröffentlichen. Im Interesse der Überwachung der Einhaltung etwaiger Beschränkungen ist es erforderlich, dass die Antragsteller eine geeignete Analysemethode für den Nachweis und die Quantifizierung des Stoffes angeben. Die Behörde sollte bewerten, ob sich die Analysemethode für die Überwachung der Einhaltung einer etwaigen vorgeschlagenen Beschränkung eignet.

(11) Im Anschluss an die Sicherheitsbewertung eines bestimmten Stoffes oder einer Kombination von Stoffen sollte eine Risikomanagemententscheidung darüber ergehen, ob der Stoff in die gemeinschaftliche Liste der zugelassenen Stoffe aufgenommen werden kann, die in aktiven und intelligenten Bestandteilen verwendet werden dürfen („Gemeinschaftsliste“). Diese Entscheidung sollte nach dem Regelungsverfahren gemäß Artikel 23 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 erlassen werden, das eine enge Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten gewährleistet.

(12) Die Gemeinschaftsliste sollte Angaben zu Identität, Gebrauchsbedingungen, Beschränkungen und/oder Spezifikationen der Verwendung der jeweiligen Stoffe oder Kombinationen von Stoffen sowie gegebenenfalls zu dem Bestandteil oder dem Material bzw. Gegenstand enthalten, dem sie hinzugefügt oder in den sie integriert werden. Die Angaben zur Identität eines Stoffes sollten zumindest die Bezeichnung und, soweit verfügbar und erforderlich, die CAS-Nummern, die Partikelgröße, die Zusammensetzung oder sonstige Spezifikationen umfassen.

(13) Aktive Materialien und Gegenstände können gezielt Stoffe enthalten, die zur Freisetzung in Lebensmitteln bestimmt sind. Da diese Stoffe den Lebensmitteln bewusst zugesetzt werden, sollten sie nur unter Einhaltung der Bedingungen verwendet werden, die in den einschlägigen gemeinschaftlichen oder einzelstaatlichen Rechtsvorschriften für deren Verwendung in Lebensmitteln festgelegt sind. Sehen diese Rechtsvorschriften eine Zulassung des Stoffes vor, so sollten der Stoff und seine Verwendung den Anforderungen für die Zulassung nach dem einschlägigen Lebensmittelrecht – wie den Vorschriften für Lebensmittelzusatzstoffe – genügen. Lebensmittelzusatzstoffe und -enzyme könnten auch auf das Material gepfropft oder darauf immobilisiert werden und eine technologische Wirkung auf das Lebensmittel haben. Solche Anwendungen fallen unter die Rechtsvorschriften über Lebensmittelzusatzstoffe und -enzyme und sollten deshalb ebenso behandelt werden wie freigesetzte aktive Stoffe.

(14) Intelligente Verpackungssysteme informieren den Nutzer über den Zustand des Lebensmittels und sollten ihre Bestandteile nicht an das Lebensmittel abgeben. Intelligente Systeme können auf der äußeren Oberfläche der Packung angebracht werden und vom Lebensmittel durch eine funktionelle Barriere getrennt sein; dabei handelt es sich um eine Barriere in Lebensmittelkontaktmaterialien oder -gegenständen, welche die Migration von Stoffen in das Lebensmittel verhindert. Hinter einer funktionellen Barriere dürfen auch nicht zugelassene Stoffe verwendet werden, sofern bestimmte Kriterien erfüllt sind und ihre Migration unterhalb einer bestimmten Nachweisgrenze bleibt. In Anbetracht der Anforderungen, die an Lebensmittel für Säuglinge und sonstige besonders empfindliche Personen zu stellen sind, sowie der mit dieser Art von Analysen verbundenen Schwierigkeiten – sie weisen einen hohen Analysentoleranzwert auf – sollte für die Migration eines nicht zugelassenen Stoffes durch eine funktionelle Barriere ein Höchstwert von 0,01 mg/kg festgelegt werden. Bei neuen Technologien zur Herstellung von Stoffen in Partikelgröße, die wesentlich andere chemische und physikalische Eigenschaften aufweisen als Stoffe mit größerer Struktur – zum Beispiel Nanopartikel –, sollte das jeweilige Risiko auf Einzelfallbasis bewertet werden, bis mehr Informationen über die betreffende neue Technologie vorliegen. Deshalb sollte das Konzept der funktionellen Barriere für sie nicht gelten.

(15) In der Einzelmaßnahme der Gemeinschaft, die sich auf den passiven Teil eines aktiven oder intelligenten Materials bezieht, können Anforderungen an die Inertheit des Materials festgelegt werden, zum Beispiel ein Gesamtmigrationsgrenzwert für Materialien aus Kunststoff. Wird ein freisetzender aktiver Bestandteil in ein Lebensmittelkontaktmaterial integriert, für das eine Einzelmaßnahme der Gemeinschaft gilt, so kann die Gefahr bestehen, dass durch die Freisetzung des aktiven Stoffes der Gesamtmigrationsgrenzwert überschritten wird. Da die aktive Funktion kein inhärentes Merkmal des passiven Materials ist, sollte die Menge des freigesetzten aktiven Stoffes nicht in die Berechnung des Werts der Gesamtmigration einfließen.

(16) Artikel 4 Absatz 5 der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 sieht vor, dass aktive und intelligente Materialien und Gegenstände, die bereits mit Lebensmitteln in Berührung gekommen sind, mit einer angemessenen Kennzeichnung versehen werden sollen, die es dem Verbraucher gestattet, nicht essbare Teile zu identifizieren. Um Irrtümern der Verbraucher vorzubeugen, ist eine Vereinheitlichung derartiger Informationen unabdingbar. Deshalb sollten aktive und intelligente Materialien und Gegenstände immer dann, wenn sie oder Teile davon als essbar wahrgenommen werden können, durch eine entsprechende Formulierung gekennzeichnet werden, der – sofern dies technisch möglich ist – ein Symbol beigefügt werden sollte.

(17) Artikel 16 der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 sieht vor, dass Materialien und Gegenständen eine schriftliche Konformitätserklärung beigefügt werden soll, nach der sie den für sie geltenden Vorschriften entsprechen. Um die Koordinierung und Verantwortung der Lieferanten auf jeder Stufe des Herstellungsprozesses zu stärken, sollten die zuständigen Personen gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben h und i der genannten Verordnung die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften in einer Konformitätserklärung dokumentieren, die dem Abnehmer zur Verfügung gestellt wird. Außerdem sollten auf jeder Stufe des Herstellungsprozesses entsprechende Belege für die Aufsichtsbehörden bereitgehalten werden.

(18) Nach Artikel 17 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates4 haben Lebensmittelunternehmer die Einhaltung der geltenden Lebensmittelvorschriften zu überprüfen. Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 sieht vor, dass Materialien und Gegenständen, die noch nicht mit Lebensmitteln in Berührung gekommen sind, wenn sie in Verkehr gebracht werden, Informationen beigefügt werden sollen zu dem/den zulässigen Verwendungszweck(en) sowie andere einschlägige Informationen, z. B. zur Bezeichnung und der Höchstmenge der von dem aktiven Bestandteil abgegebenen Stoffe, so dass die Lebensmittelunternehmer, die diese Materialien und Gegenstände verwenden, die anderen einschlägigen Gemeinschaftsvorschriften oder, sofern solche nicht bestehen, die nationalen Vorschriften für Lebensmittel, einschließlich der Vorschriften über die Lebensmittelkennzeichnung, einhalten können. Zu diesem Zweck sollten die Lebensmittelunternehmer unter Wahrung des Erfordernisses der Vertraulichkeit Zugang zu den einschlägigen Informationen erhalten, damit sie sicherstellen können, dass die Spezifikationen und Beschränkungen des Lebensmittelrechts der Gemeinschaft oder der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Migration oder bewusste Freisetzung aus aktiven oder intelligenten Materialien bzw. Gegenständen in Lebensmittel eingehalten werden.

(19) Da in den Mitgliedstaaten bereits mehrere aktive und intelligente Materialien und Gegenstände auf dem Markt sind, sollten Bestimmungen festgelegt werden, die gewährleisten, dass der Übergang zu einem gemeinschaftlichen Zulassungsverfahren reibungslos und ohne Störungen des vorhandenen Markts für diese Materialien und Gegenstände erfolgt. Den Antragstellern sollte genügend Zeit gewährt werden, damit sie diejenigen Informationen zur Verfügung stellen können, die zur Sicherheitsbewertung der Stoffe oder Kombinationen von Stoffen, aus denen der Bestandteil besteht, erforderlich sind. Deshalb sollte den Antragstellern eine Frist von 18 Monaten eingeräumt werden, in der sie gehalten sind, diese Informationen über aktive oder intelligente Materialien bzw. Gegenstände vorzulegen. Ferner sollte es möglich sein, innerhalb dieser 18-Monats-Frist die Zulassung neuer Stoffe oder Kombinationen von Stoffen zu beantragen.

(20) Die Behörde sollte unverzüglich alle Anträge für bereits existierende sowie für neue Stoffe prüfen, welche die Bestandteile bilden, für die während der ersten Antragsfrist rechtzeitig und im Einklang mit den Leitlinien der Behörde ein gültiger Antrag gestellt wurde.

(21) Nach Abschluss der Sicherheitsbewertung aller Stoffe, für die während der ersten Antragsfrist von 18 Monaten im Einklang mit den Leitlinien der Behörde ein gültiger Antrag gestellt wurde, sollte die Kommission eine Gemeinschaftsliste der zugelassenen Stoffe erstellen. Um faire und gleiche Bedingungen für alle Antragsteller zu schaffen, sollte die Erstellung dieser Gemeinschaftsliste in einem einzigen Schritt erfolgen.

(22) Die Bestimmungen über die Konformitätserklärung und die spezielle Kennzeichnung sollten erst sechs Monate nach Inkrafttreten dieser Verordnung Geltung erlangen, damit den Unternehmern genügend Zeit zur Anpassung an diese neuen Rechtsvorschriften bleibt.

(23) Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des Ständigen Ausschusses für die Lebensmittelkette und die Tiergesundheit –

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:


1

ABl. L 338 vom 13.11.2004, S. 4.

2

ABl. L 11 vom 15.1.2002, S. 4.

3

ABl. L 192 vom 11.7.1987, S. 49

4

ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1.