II-6 neu

Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates

Vom 21. Oktober 2009

(ABl. 2009 Nr. L 309/1), zul. geänd. durch Art. 1 der VO (EU) 2022/1438 vom 31.8.2022 (ABl. 2022 Nr. L 227/2)
Änderungshistorienicht-amtliches Inhaltsverzeichnis

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION –

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 37 Absatz 2, Artikel 95 und Artikel 152 Absatz 4 Buchstabe b,

auf Vorschlag der Kommission,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses1,

nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen2,

gemäß dem Verfahren des Artikels 251 des Vertrags3,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1) Die Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln4 enthält Bestimmungen für Pflanzenschutzmittel und die darin enthaltenen Wirkstoffe.

(2) Im Anschluss an den Fortschrittsbericht der Kommission gemäß der Richtlinie 91/414/EWG forderten das Europäische Parlament in seiner Entschließung vom 30. Mai 20025 und der Rat in seinen Schlussfolgerungen vom 12. Dezember 2001 die Kommission auf, die Richtlinie 91/414/EWG zu überarbeiten, und nannten eine Reihe von Aspekten, die die Kommission dabei berücksichtigen sollte.

(3) Angesichts der Erfahrungen aus der Anwendung der Richtlinie 91/414/EWG und der neuesten wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen sollte die Richtlinie 91/414/EWG ersetzt werden.

(4) Im Interesse der Vereinfachung sollte mit dem neuen Rechtsakt auch die Richtlinie 79/117/EWG des Rates vom 21. Dezember 1978 über das Verbot des Inverkehrbringens und der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, die bestimmte Wirkstoffe enthalten6, aufgehoben werden.

(5) Um die Anwendung der neuen Vorschriften zu vereinfachen und eine einheitliche Anwendung in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten, sollte die Form einer Verordnung gewählt werden.

(6) Die Pflanzenerzeugung nimmt in der Gemeinschaft einen sehr wichtigen Platz ein. Eines der wichtigsten Mittel zum Schutz der Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse vor Schadorganismen einschließlich Unkräuter und zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion ist die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln.

(7) Pflanzenschutzmittel haben jedoch nicht notwendigerweise nur nützliche Auswirkungen auf die Pflanzenerzeugung. Ihre Verwendung kann auch Risiken und Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt bergen, insbesondere dann, wenn sie ungeprüft und ohne amtliche Zulassung in den Verkehr gebracht und unsachgemäß verwendet werden.

(8) Mit dieser Verordnung soll ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt gewährleistet und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft der Gemeinschaft sichergestellt werden. Besondere Aufmerksamkeit sollte dem Schutz gefährdeter Gruppen in der Bevölkerung gelten, insbesondere von Schwangeren, Säuglingen und Kindern. Das Vorsorgeprinzip sollte angewandt und mit dieser Verordnung sollte sichergestellt werden, dass die Industrie den Nachweis erbringt, dass Stoffe oder Produkte, die erzeugt oder in Verkehr gebracht werden, keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier oder keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt haben.

(9) Um die aufgrund des unterschiedlichen Schutzniveaus in den Mitgliedstaaten möglicherweise bestehenden Handelshemmnisse bei Pflanzenschutzmitteln so weit wie möglich zu beseitigen, sollten in dieser Verordnung ferner harmonisierte Regelungen für die Genehmigung von Wirkstoffen und für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, einschließlich der Regelungen über die gegenseitige Anerkennung der Zulassungen sowie über den Parallelhandel festgelegt werden. Zweck dieser Verordnung ist es somit, den freien Verkehr der entsprechenden Produkte und die Verfügbarkeit dieser Produkte in den Mitgliedstaaten zu verbessern.

(10) Stoffe sollten nur dann in Pflanzenschutzmitteln angewandt werden, wenn nachgewiesen ist, dass sie einen offensichtlichen Nutzen für die Pflanzenerzeugung bieten und voraussichtlich keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier oder unannehmbare Folgen für die Umwelt haben. Um das gleiche Schutzniveau in allen Mitgliedstaaten zu erzielen, sollte die Entscheidung über die Zulässigkeit oder Nichtzulässigkeit solcher Stoffe auf Gemeinschaftsebene auf der Grundlage harmonisierter Kriterien getroffen werden. Diese Kriterien sollten bei der ersten Genehmigung eines Wirkstoffs gemäß dieser Verordnung angewendet werden. Bei bereits genehmigten Wirkstoffen sollten die Kriterien zum Zeitpunkt der Erneuerung oder der Überprüfung der Genehmigung angewendet werden.

(11) Die Entwicklung von anderen Versuchen als Tierversuchen sollte gefördert werden, damit für den Menschen relevante Sicherheitsdaten gewonnen und die derzeit gebräuchlichen Tierversuche ersetzt werden.

(12) Im Sinne der Vorhersehbarkeit, Effizienz und Kohärenz sollte ein detailliertes Verfahren für die Prüfung der Frage, ob ein Wirkstoff genehmigt werden kann, festgelegt werden. Es sollte genau festgelegt werden, welche Informationen für die Zwecke der Genehmigung eines Stoffes von den interessierten Parteien vorgelegt werden müssen. Angesichts des Arbeitsaufwands im Zusammenhang mit dem Genehmigungsverfahren ist es angemessen, dass die Bewertung dieser Informationen von einem Mitgliedstaat durchgeführt wird, der als Berichterstatter für die Gemeinschaft auftritt. Zur Gewährleistung der Einheitlichkeit bei der Bewertung sollte die durch die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit7 eingesetzte Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit („Behörde“) eine unabhängige wissenschaftliche Überprüfung durchführen. Es sollte klargestellt werden, dass die Behörde eine Risikobewertung durchführt, während die Kommission die Aufgabe des Risikomanagements durchführt und die endgültige Entscheidung über einen Wirkstoff treffen sollte. Es sollten Bestimmungen aufgenommen werden, die die Transparenz des Bewertungsprozesses gewährleisten.

(13) Aus ethischen Gründen sollte die Bewertung eines Wirkstoffs oder eines Pflanzenschutzmittels nicht auf Versuchen oder Studien basieren, bei denen der Wirkstoff oder das Pflanzenschutzmittel gezielt Menschen verabreicht wird mit dem Ziel, die höchste unwirksame Dosis (den NOEL – no observed effect level) eines Wirkstoffs für den Menschen zu ermitteln. Ebenso sollten toxikologische Studien an Menschen nicht dazu genutzt werden, die Sicherheitsmargen für Wirkstoffe oder Pflanzenschutzmittel zu senken.

(14) Um die Genehmigung von Wirkstoffen zu beschleunigen, sollten feste Fristen für die verschiedenen Verfahrensstufen festgelegt werden.

(15) Im Interesse der Sicherheit sollte die Gültigkeitsdauer der Genehmigung für Wirkstoffe begrenzt sein. Die Gültigkeitsdauer der Genehmigung sollte dem möglichen Risiko bei der Verwendung solcher Stoffe entsprechen. Erfahrungen aus der praktischen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, die die betreffenden Stoffe enthalten, sowie Entwicklungen in Wissenschaft und Technik sollten bei einer Entscheidung über die Erneuerung einer Genehmigung berücksichtigt werden. Die Erneuerung der Genehmigung sollte für einen Zeitraum von höchstens fünfzehn Jahren gelten.

(16) Für den Fall, dass die Kriterien für die Genehmigung nicht länger erfüllt sind oder die Einhaltung der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik8 nicht gewährleistet ist, sollte unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit der Änderung oder die Aufhebung einer Genehmigung für einen Wirkstoff vorgesehen sein.

(17) Bei der Bewertung eines Wirkstoffs kann sich herausstellen, dass dieser Wirkstoff ein wesentlich niedrigeres Risiko darstellt als andere Stoffe. Um die Verwendung eines solchen Stoffes in Pflanzenschutzmitteln zu begünstigen, sollten derartige Stoffe identifiziert und das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, die diese Stoffe enthalten, erleichtert werden. Es sollten Anreize für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln mit geringem Risiko geschaffen werden.

(18) Bestimmte Stoffe, die nicht vorrangig als Pflanzenschutzmittel verwendet werden, können von Nutzen für den Pflanzenschutz sein, während das wirtschaftliche Interesse an der Beantragung einer Genehmigung möglicherweise begrenzt ist. Daher sollten besondere Bestimmungen sicherstellen, dass solche Stoffe, soweit die von ihnen ausgehenden Risiken akzeptabel sind, für die Verwendung im Pflanzenschutz genehmigt werden dürfen.

(19) Einige Wirkstoffe mit bestimmten Eigenschaften sollten auf Gemeinschaftsebene als Substitutionskandidaten identifiziert werden. Die Mitgliedstaaten sollten Pflanzenschutzmittel, die solche Wirkstoffe enthalten, mit dem Ziel prüfen, sie durch andere Pflanzenschutzmittel, die Wirkstoffe enthalten, die weniger Risikominderung erfordern, oder durch nichtchemische Methoden der Bekämpfung oder Prävention zu ersetzen.

(20) In bestimmten Mitgliedstaaten sind nichtchemische Bekämpfungs- oder Präventionsmethoden, die für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt deutlich sicherer sind, festgelegt und für bestimmte Verwendungszwecke allgemein eingesetzt worden. In Ausnahmefällen sollten die Mitgliedstaaten bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln auch die vergleichende Bewertung anwenden dürfen.

(21) Neben Wirkstoffen können Pflanzenschutzmittel Safener oder Synergisten enthalten, für die ähnliche Regelungen gelten sollten. Es sollten technische Vorschriften für die Überprüfung solcher Stoffe festgelegt werden. Derzeit auf dem Markt befindliche Stoffe sollten erst bewertet werden, wenn diese Regelungen festgelegt wurden.

(22) Pflanzenschutzmittel können auch Beistoffe enthalten. Es ist angebracht, eine Liste der Beistoffe zu erstellen, die nicht in Pflanzenschutzmitteln enthalten sein sollten.

(23) Pflanzenschutzmittel, die aktive Wirkstoffe enthalten, können auf verschiedene Arten zusammengesetzt sein und für eine Vielzahl von Pflanzen und Pflanzenerzeugnissen unter verschiedenen landwirtschaftlichen, pflanzengesundheitlichen und ökologischen (einschließlich klimatischen) Bedingungen verwendet werden. Die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln sollte daher von den Mitgliedstaaten erteilt werden.

(24) Die Bestimmungen für eine Zulassung müssen ein hohes Schutzniveau gewährleisten. Insbesondere sollte bei Erteilung einer Zulassung für Pflanzenschutzmittel das Ziel, die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Umwelt zu schützen, Vorrang haben vor dem Ziel, die Pflanzenproduktion zu verbessern. Daher sollte, bevor ein Pflanzenschutzmittel in Verkehr gebracht wird, nachgewiesen werden, dass es einen offensichtlichen Vorteil für die Pflanzenerzeugung bringt und keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen, einschließlich der besonders gefährdeten Personengruppen, oder von Tieren sowie keine unzulässigen Folgen für die Umwelt hat.

(25) Im Interesse der Vorhersehbarkeit, Effizienz und Kohärenz sollten die Kriterien, Verfahren und Bedingungen für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze des Schutzes der Gesundheit von Mensch und Tier und der Umwelt harmonisiert werden.

(26) Sollte der Genehmigungsbeschluss aus Gründen, die nicht dem Antragsteller anzulasten sind, nicht innerhalb der vorgesehenen Frist gefasst werden können, so sollte es den Mitgliedstaaten gestattet sein, die vorläufige Zulassung für einen begrenzten Zeitraum zu erteilen, um den Übergang zu dem Zulassungsverfahren gemäß dieser Verordnung zu erleichtern. Im Lichte der mit der Genehmigung der Wirkstoffe gemäß dieser Verordnung gesammelten Erfahrungen sollten die Bestimmungen über die vorläufige Zulassung keine Anwendung mehr finden bzw. gegebenenfalls über den Zeitraum von fünf Jahren hinaus verlängert werden.

(27) Die Wirkstoffe in einem Pflanzenschutzmittel lassen sich in unterschiedlichen Produktionsprozessen herstellen, wodurch sich Unterschiede in der Spezifikation ergeben. Solche Unterschiede können auch Auswirkungen auf die Sicherheit mit sich bringen. Aus Gründen der Effizienz sollte ein harmonisiertes Verfahren auf Gemeinschaftsebene für die Bewertung dieser Unterschiede vorgesehen werden.

(28) Die verwaltungstechnische Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten sollte in allen Phasen des Zulassungsverfahrens verbessert werden.

(29) Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung stellt eines der Mittel dar, mit denen der freie Warenverkehr innerhalb der Gemeinschaft gewährleistet werden soll. Zur Vermeidung von Doppelarbeit, Verringerung des Verwaltungsaufwands für Industrie und Mitgliedstaaten und Sicherstellung einer einheitlicheren Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln sollte die von einem Mitgliedstaat erteilte Zulassung von anderen Mitgliedstaaten akzeptiert werden, sofern die landwirtschaftlichen, pflanzengesundheitlichen und ökologischen Bedingungen (einschließlich der klimatischen Bedingungen) vergleichbar sind. Daher sollte die Gemeinschaft in Zonen mit diesbezüglich jeweils vergleichbaren Bedingungen unterteilt werden, um diese gegenseitige Anerkennung zu erleichtern. Besondere ökologische oder landwirtschaftliche Bedingungen im Gebiet eines oder mehrerer Mitgliedstaaten können es jedoch erforderlich machen, dass die Mitgliedstaaten auf Antrag die von einem anderen Mitgliedstaat erteilte Zulassung anerkennen oder ändern, oder die Zulassung des Pflanzenschutzmittels in ihrem Gebiet verweigern, wo dies aufgrund besonderer ökologischer oder landwirtschaftlicher Gegebenheiten gerechtfertigt ist oder wo das in dieser Verordnung vorgeschriebene hohe Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt nicht erreicht werden kann. Es sollte ferner möglich sein, bestimmte Voraussetzungen auch im Zusammenhang mit den im nationalen Aktionsplan gemäß der Richtlinie 2009/128/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden9 gesetzten Zielen zur Auflage zu machen.

(30) Für die Industrie ist der wirtschaftliche Anreiz zur Beantragung einer Zulassung auf bestimmte Verwendungszwecke beschränkt. Um sicherzustellen, dass die Diversifizierung von Landwirtschaft und Gartenbau nicht durch die mangelnde Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln behindert wird, sollten für geringfügige Verwendungen besondere Regelungen festgelegt werden.

(31) Für den Fall, dass identische Pflanzenschutzmittel in verschiedenen Mitgliedstaaten zugelassen wurden, sollte in dieser Verordnung ein vereinfachtes Verfahren für die Erteilung einer Genehmigung für den Parallelhandel vorgesehen werden, um den Handel mit solchen Produkten zwischen den Mitgliedstaaten zu erleichtern.

(32) In Ausnahmefällen sollte es den Mitgliedstaaten erlaubt sein, Pflanzenschutzmittel zuzulassen, die nicht die Bedingungen der vorliegenden Verordnung erfüllen, soweit dies erforderlich ist, um eine Gefahr oder Bedrohung für die Pflanzenerzeugung oder die Ökosysteme abzuwenden, die mit anderen angemessenen Mitteln nicht beherrscht werden kann. Solche befristeten Zulassungen sollten auf Gemeinschaftsebene überprüft werden.

(33) Die Rechtsvorschriften der Gemeinschaft für Saatgut sehen den freien Verkehr mit Saatgut innerhalb der Gemeinschaft vor, enthalten jedoch keine Bestimmungen über Saatgut, das mit Pflanzenschutzmitteln behandelt wurde. Entsprechende Bestimmungen sollten daher in diese Verordnung aufgenommen werden. Stellt behandeltes Saatgut ein schwerwiegendes Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt dar, so sollten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, Schutzmaßnahmen zu ergreifen.

(34) Zur Förderung der Innovation sollten spezielle Regelungen aufgestellt werden, die die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln in Versuchen erlauben, selbst wenn diese Mittel noch nicht zugelassen sind.

(35) Zur Sicherung des hohen Schutzniveaus für die Gesundheit von Mensch und Tier und die Umwelt sollten Pflanzenschutzmittel sachgemäß entsprechend ihrer Zulassung unter Beachtung der Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes verwendet werden, wobei nach Möglichkeit nichtchemischen und natürlichen Alternativen Vorrang zu geben ist. Der Rat sollte die Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes, einschließlich der guten Pflanzenschutzpraxis und nichtchemischer Verfahren des Pflanzenschutzes, der Schädlingsbekämpfung und des Pflanzenanbaus, in die Überprüfung der Grundanforderungen an die Betriebsführung gemäß Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe10 aufnehmen.

(36) Zusätzlich zu dieser Verordnung und der Richtlinie 2009/128/EG wurde eine thematische Strategie für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden angenommen. Im Interesse der Kohärenz zwischen diesen Rechtsinstrumenten sollte der Verwender dem Etikett des Produkts entnehmen können, wo, wann und unter welchen Bedingungen das Pflanzenschutzmittel verwendet werden kann.

(37) Es sollte ein systematischer Informationsaustausch stattfinden. Die Mitgliedstaaten sollten einander, der Kommission und der Behörde die im Zusammenhang mit Anträgen auf Zulassung von Pflanzenschutzmitteln vorgelegten Daten und wissenschaftlichen Unterlagen zugänglich machen.

(38) Zusatzstoffe können verwendet werden, um die Wirksamkeit eines Pflanzenschutzmittels zu erhöhen. Ihr Inverkehrbringen sowie ihre Verwendung sollten verboten werden, wenn sie einen verbotenen Beistoff enthalten. Es sollten technische Vorschriften für die Zulassung festgelegt werden.

(39) Studien erfordern eine erhebliche Investition. Diese Investition sollte geschützt werden, um die Forschung zu fördern. Daher sollten Versuche und Studien – abgesehen von solchen mit Wirbeltieren, für die die gemeinsame Nutzung der Daten zwingend vorgeschrieben wird –, die ein Antragsteller einem Mitgliedstaat vorlegt, gegen die Verwendung durch einen anderen Antragsteller geschützt werden. Dieser Schutz sollte jedoch zeitlich begrenzt sein, um Wettbewerb zu ermöglichen. Auch sollte er auf solche Studien beschränkt sein, die für die Zwecke des Entscheidungsverfahrens unbedingt erforderlich sind, damit nicht Antragsteller die Schutzdauer durch Vorlage neuer, unnötiger Studien künstlich verlängern. Alle Wirtschaftsakteure, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, sollten die gleichen Chancen im Hinblick auf den Marktzugang haben.

(40) Der Einsatz von anderen Versuchen als Tierversuchen und andere Risikobewertungsstrategien sollten gefördert werden. Tierversuche für die Zwecke dieser Verordnung sollten auf ein Minimum beschränkt werden und Versuche an Wirbeltieren sollten als letzte Möglichkeit durchgeführt werden. Gemäß der Richtlinie 86/609/EWG des Rates vom 24. November 1986 zur Annäherung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere11 sind Wirbeltierversuche zu ersetzen, einzuschränken oder zu verbessern. Daher sollten Regeln Regelungen zur Vermeidung von Doppelversuchen festgelegt werden und die Wiederholung von Versuchen und Studien an Wirbeltieren sollte untersagt werden. Es sollte eine Verpflichtung aufgenommen werden, zum Zwecke der Entwicklung neuer Pflanzenschutzmittel den Zugang zu Studien über Wirbeltierversuche unter annehmbaren Bedingungen zu ermöglichen, und die Ergebnisse der Studien mit Tierversuchen sollten gemeinsam genutzt sowie deren Kosten geteilt werden. Damit die Akteure wissen, welche Studien bereits durchgeführt wurden, sollten die Mitgliedstaaten eine Liste solcher Studien führen, selbst wenn diese dem vorstehend beschriebenen System des obligatorischen Zugangs nicht unterliegen.

(41) Da die Mitgliedstaaten, die Kommission und die Behörde unterschiedliche Regeln Regelungen über den Zugang zu Dokumenten und deren Vertraulichkeit anwenden, ist es angebracht klarzustellen, unter welchen Bedingungen der Zugang zu den in den Dokumenten, die sich im Besitz der genannten Stellen befinden, enthaltenen Informationen möglich ist und wie die Vertraulichkeit dieser Dokumente geregelt ist.

(42) Die Richtlinie 1999/45/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. Mai 1999 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Zubereitungen12 gilt auch für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung von Pflanzenschutzmitteln. Um die Verwender von Pflanzenschutzmitteln, die Verbraucher von Pflanzen und Pflanzenerzeugnissen und die Umwelt noch besser zu schützen, sind jedoch weitere spezifische Regeln angebracht, die die Besonderheiten der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln berücksichtigen.

(43) Um sicherzustellen, dass die Verwender von Pflanzenschutzmitteln oder die Öffentlichkeit nicht durch Werbung irregeführt werden, ist es angebracht, die Werbung für diese Produkte zu regeln.

(44) Es sollten Bestimmungen zur Führung von Aufzeichnungen und zur Information über die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln festgelegt werden, um das Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt durch die Rückverfolgbarkeit einer möglichen Exposition zu erhöhen, die Effizienz der Überwachung und Kontrolle zu steigern und die Kosten für die Überwachung der Wasserqualität zu verringern.

(45) Bestimmungen über Kontroll- und Inspektionsregelungen hinsichtlich des Inverkehrbringens und der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln sollten die korrekte, sichere und harmonisierte Anwendung der in dieser Verordnung festgelegten Anforderungen sicherstellen, um ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt sicherzustellen.

(46) Die Verordnung (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz13 sieht Kontrollmaßnahmen bezüglich der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln in allen Phasen der Lebensmittelherstellung vor, einschließlich des Führens von Aufzeichnungen über deren Verwendung. Die Kommission sollte ähnliche Vorschriften über die Überwachung und Kontrolle der Lagerung und Verwendung von Pflanzenschutzmitteln festlegen, die nicht unter die Verordnung (EG) Nr. 882/2004 fallen. Der Verwaltungsaufwand für Landwirte sollte so gering wie möglich sein.

(47) Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen sollten unbeschadet der anderen Rechtsvorschriften der Gemeinschaft angewandt werden, insbesondere der Richtlinie 2009/128/EG, der Richtlinie 2000/60/EG, der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Februar 2005 über Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs14 sowie der Rechtsvorschriften der Gemeinschaft zum Schutz von Arbeitnehmern und anderen Personen, die mit der Verwendung genetisch veränderter Organismen in geschlossenen Systemen und ihrer absichtlichen Freisetzung in Berührung kommen.

(48) Es ist notwendig, Verfahren für den Erlass von Notfallmaßnahmen für den Fall vorzusehen, dass ein genehmigter Wirkstoff, ein Safener, Synergist oder Pflanzenschutzmittel wahrscheinlich ein schwerwiegendes Risiko für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt darstellt.

(49) Die Mitgliedstaaten sollten Vorschriften über die Sanktionen erlassen, die bei einem Verstoß gegen diese Verordnung zu verhängen sind, und alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um ihre Anwendung zu gewährleisten.

(50) Die allgemeine zivil- und strafrechtliche Haftung des Herstellers in den Mitgliedstaaten und gegebenenfalls der für das Inverkehrbringen des Pflanzenschutzmittels oder für dessen Verwendung verantwortlichen Person sollte weiterhin bestehen bleiben.

(51) Die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit haben, die Kosten der Verfahren im Zusammenhang mit der Anwendung dieser Verordnung von denjenigen zurückzufordern, die Pflanzenschutzmittel oder Zusatzstoffe in Verkehr bringen bzw. dies beabsichtigen, sowie von denjenigen, die die Genehmigung von Wirkstoffen, Safenern oder Synergisten beantragen.

(52) Die Mitgliedstaaten sollten die erforderlichen zuständigen nationalen Behörden benennen.

(53) Die Kommission sollte die Anwendung dieser Verordnung erleichtern. Daher ist es angebracht, die notwendigen Finanzmittel und die Möglichkeit vorzusehen, bestimmte Vorschriften dieser Verordnung im Licht der Erfahrung anzupassen oder technische Leitlinien auszuarbeiten.

(54) Die zur Durchführung dieser Verordnung erforderlichen Maßnahmen sollten gemäß dem Beschluss 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse15 erlassen werden.

(55) Insbesondere sollte die Kommission die Befugnis erhalten, harmonisierte Methoden für die Feststellung der Art und Menge der Wirkstoffe, Safener und Synergisten und gegebenenfalls von relevanten Verunreinigungen und Beistoffen und die maximalen Mengen der Pflanzenschutzmittel, die freigesetzt werden dürfen, anzunehmen, sowie Verordnungen über Kennzeichnungsvorschriften, Überwachung und Regelungen für Zusatzstoffe und ein Arbeitsprogramm für Safener und Synergisten, einschließlich ihrer Datenanforderungen, zur Verschiebung des Ablaufs der Geltungsdauer der Zulassung, zur Verlängerung der Geltungsdauer der vorläufigen Zulassung und zur Festlegung der Informationsanforderungen für den Parallelhandel, über die Einbeziehung von Beistoffen sowie zur Änderung der Verordnungen über Datenanforderungen und einheitliche Grundsätze für die Bewertung und Zulassung sowie der Anhänge zu erlassen. Da es sich hierbei um Maßnahmen von allgemeiner Tragweite handelt, die eine Änderung nicht wesentlicher Bestimmungen dieser Verordnung, auch durch Hinzufügung neuer nicht wesentlicher Bestimmungen, bewirken, sind diese Maßnahmen nach dem Regelungsverfahren mit Kontrolle des Artikels 5a des Beschlusses 1999/468/EG zu erlassen.

(56) Aus Gründen der Effizienz sollten die im Rahmen des Regelungsverfahrens mit Kontrolle üblichen Fristen für den Erlass einer Verordnung, mit der der Ablauf der Geltungsdauer der Zulassung um einen Zeitraum hinausgeschoben wird, der für die Prüfung des Antrags ausreicht, verkürzt werden.

(57) Ferner ist es angebracht, einige geltende Bestimmungen, die in den Anhängen der Richtlinie 91/414/EWG enthalten sind, in getrennte Rechtsinstrumente zu übernehmen, die von der Kommission innerhalb von 18 Monaten nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung erlassen werden. Da diese geltenden Bestimmungen in einem ersten Schritt in neue Rechtsinstrumente übernommen und daher ohne wesentliche Änderungen angenommen werden sollten, ist das Beratungsverfahren dafür am besten geeignet.

(58) Außerdem ist es angebracht, einige rein technische Maßnahmen, insbesondere technische Leitlinien, aufgrund ihres unverbindlichen Charakters nach dem Beratungsverfahren zu erlassen.

(59) Einige Bestimmungen der Richtlinie 91/414/EWG sollten in der Übergangszeit gültig bleiben –

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:


1

ABl. C 175 vom 27.7.2007, S. 44.

2

ABl. C 146 vom 30.6.2007, S. 48.

3

Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 23. Oktober 2007 (ABl. C 263 E vom 16.10.2008, S. 181), Gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 15. September 2008 (ABl. C 266 E vom 21.10.2008, S. 1) und Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 13. Januar 2009 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht). Beschluss des Rates vom 24. September 2009.

4

ABl. L 230 vom 19.8.1991, S. 1.

5

ABl. C 187 E vom 7.8.2003, S. 173.

6

ABl. L 33 vom 8.2.1979, S. 36.

7

ABl. L 31 vom 1. 2. 2002, S. 1.

8

ABl. L 327 vom 22. 12. 2000, S. 1.

9

Siehe Seite 71 dieses Amtsblatts.

10

ABl. L 270 vom 21. 10. 2003, S. 1.

11

ABl. L 358 vom 18. 12. 1986, S. 1.

12

ABl. L 200 vom 30. 7. 1999, S. 1.

13

ABl. L 165 vom 30. 4. 2004, S. 1.

14

ABl. L 70 vom 16. 3. 2005, S. 1.

15

ABl. L 184 vom 17. 7. 1999, S. 23.