Vorwort

W. Kulow

Im Jahre 2004 begann mit der Bekanntmachung des „Hygienepakets“ für Betriebe und Behörden die so genannte heiße Phase der Umstellung auf das neue Lebensmittelhygienerecht. Die nationalen Vorschriften, die uns trotz vielfacher Änderungen sowohl inhaltlich, als auch in ihrem Aufbau vertraut waren, verloren ihre Gültigkeit.

Für die überwiegende Zahl der Lebensmittel gelten seitdem allgemeine Vorschriften. Nur dort, wo es unverzichtbar erschien, wurden für einzelne Lebensmittelgruppen spezielle Regelungen geschaffen. Besonders die Hygienevorschriften, die für alle Arten von Lebensmitteln gelten, sind durch unbestimmte Rechtsbegriffe geprägt, die einen breiten Interpretationsspielraum ermöglichen: im Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 und im Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 werden zahlreichen Regelungen die Prädikate „erforderlichenfalls“, „geeignet“, „angemessen“ und „ausreichend“ vorangestellt. Es obliegt in erster Linie dem Lebensmittelunternehmer zu entscheiden, ob eine Anforderung im konkreten Einzelfall erforderlich, geeignet, angemessen oder ausreichend ist, um die Ziele der Verordnungen, also in erster Linie eine größtmögliche Sicherheit der Lebensmittel, zu erreichen. Bei dieser Entscheidung muss der Lebensmittelunternehmer die Art des Lebensmittels und dessen Verwendungszweck berücksichtigen. Als Entscheidungshilfe dienen unter anderem Normen und Leitlinien für eine gute Verfahrenspraxis, die von der Lebensmittelwirtschaft für die Betriebe erstellt werden.

Der Verzicht auf viele spezielle Vorschriften für einzelne Lebensmittel zugunsten von wenigen Vorschriften für alle Lebensmittel brachte es mit sich, dass zahlreiche Produkte nicht in einer, sondern in mehreren Verordnungen der EU zu finden sind. Da diese jedoch nicht auf alle Sachverhalte anwendbar sind, mussten Regelungslücken durch nationale Verordnungen geschlossen werden: so wurden eine neue Lebensmittelhygiene-Verordnung und eine Tierische Lebensmittelhygiene-Verordnung veröffentlicht. Darüber hinaus wurden auch Vorschriften erlassen, die sich hauptsächlich an die Behörden wenden, aber zumindest indirekt auch Auswirkungen auf den Lebensmittelunternehmer haben.

Das Hygienerecht hat sich in den vergangenen Jahren weiterentwickelt. Es ist leider nicht einfacher geworden. Europäische und nationale Rechtsquellen wurden ergänzt, Normen und zum Teil auch die GHP-Leitlinien Seitenwechsel der Wirtschaft überarbeitet oder neu herausgegeben. Von Seiten der Wirtschaft, aber auch der Lebensmittelüberwachung wurden zahlreiche neue Fragen an den Autor herangetragen. Somit war eine Aktualisierung und Ergänzung des Buches notwendig.

In diesem Buch werden Fragen zum Lebensmittelhygienerecht gesammelt. Im Laufe der Jahre haben sich diese Fragen verändert. Standen zunächst sozusagen die alltäglichen Probleme im Vordergrund, so werden nun in zunehmender Zahl Fragen zu individuellen Sachverhalten gestellt, die teilweise schon fast exotischen Charakter haben („darf man das Fleisch erlegter Waschbären im Internet vertreiben?“). Diese und viele andere ähnliche Fragen lassen sich im Rahmen eines solchen Buches nicht beantworten. Hier kann es nur um solche Fragen gehen, die möglichst viele Lebensmittelunternehmer direkt oder indirekt betreffen. Auch wenn eine konkrete Frage vielleicht nicht dabei ist oder befriedigend beantwortet wird, so findet der Lebensmittelunternehmer hoffentlich doch Anregungen, wo er nachschlagen und weiterlesen kann, um eine Antwort zu erhalten.

Das Buch soll auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Lebensmittelüberwachungsbehörden als Hilfe dienen. Viele Meinungsverschiedenheiten lassen sich ausräumen, indem man die vorhandenen Texte und Interpretationshilfen nutzt. Auch in der Ausbildung der Lebensmittelkontrolleure kann es hilfreich sein.

Es wurde versucht, aus der Masse der Vorschriften, Normen und Leitlinien eine kurze Antwort auf die Fragen herauszuarbeiten. Eine inhaltlich umfassende Antwort kann ein solches Buch nicht leisten. Es kann nur als Wegweiser durch Rechtsquellen und Leitlinien dienen. Dieses Buch erhebt keinen Anspruch auf die vollständige Benennung aller Fundstellen zum jeweiligen Thema. Die Beantwortung der Fragen beschränkt sich auf das Lebensmittelhygienerecht und stützt sich hauptsächlich auf die im ersten Kapitel aufgeführten Rechtsquellen, Leitlinien und Normen. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Lebensmittelüberwachung sind darüber hinaus die Ergebnisse der Arbeitsgruppe Fleisch- und Geflügelfleischhygiene und fachspezifische Fragen von Lebensmitteln tierischer Herkunft der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz vertraut, die zur Beantwortung zahlreicher Fragen ebenfalls berücksichtigt wurden. Seitenwechsel

Es gibt unzählige Fachartikel und -bücher, aber auch Leitlinien anderer Mitgliedsstaaten oder Interessenverbände, die viele der hier behandelten Themen in der erforderlichen fachlichen Tiefe behandeln. Auch wenn im Rahmen des vorliegenden Buches auf diese Werke nicht verwiesen werden kann, ist es doch sinnvoll, auch solche Quellen zu nutzen. Das Buch hat seinen Zweck erfüllt, wenn es zum Weiterlesen ermutigt und so zu einem besseren Verständnis des Lebensmittelhygienerechts beiträgt.

Hamburg, Wetzlar im Januar 2013

Dr. Wolfgang Kulow Seitenwechsel