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I-6.1

Verordnung (EG) Nr. 2065/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates über Raucharomen zur tatsächlichen oder beabsichtigten Verwendung in oder auf Lebensmitteln

Vom 10. November 2003

(ABl. 2003 Nr. L 309/1), zul. geänd. durch Art. 4 der VO (EU) 2019/1381 vom 20.6.2019 (ABl. 2019 Nr. L 231/1)
Änderungshistorienicht-amtliches Inhaltsverzeichnis

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION –

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 95,

auf Vorschlag der Kommission1,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses2,

gemäß dem Verfahren des Artikels 251 des Vertrags3,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1) Die Richtlinie 88/388/EWG des Rates vom 22. Juni 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Aromen zur Verwendung in Lebensmitteln und über Ausgangsstoffe für ihre Herstellung4, insbesondere Artikel 5 Absatz 1 siebter Gedankenstrich, sieht den Erlass entsprechender Bestimmungen für die Herstellung von Raucharomen verwendeten Ausgangsstoffe sowie die Reaktionsbedingungen für ihre Bereitung vor.

(2) Der freie Verkehr mit sicheren und gesunden Lebensmitteln ist ein wichtiger Aspekt des Binnenmarkts und trägt wesentlich zur Gesundheit und zum Wohlergehen der Bürger und zur Wahrung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Interessen bei.

(3) Bei der Durchführung der Politiken der Gemeinschaft sollte ein hohes Maß an Schutz für das menschliche Leben und die menschliche Gesundheit gewährleistet werden.

(4) Um die menschliche Gesundheit zu schützen, sollten Raucharomen einer Sicherheitsbewertung mittels eines Gemeinschaftsverfahrens unterzogen werden, bevor sie innerhalb der Gemeinschaft in Verkehr gebracht oder innerhalb der Gemeinschaft in oder auf Lebensmitteln verwendet werden.

(5) Unterschiede zwischen nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Bewertung und Zulassung von Raucharomen können den freien Verkehr behindern und ungleiche und unfaire Wettbewerbsbedingungen schaffen. Daher sollte ein Zulassungsverfahren auf Gemeinschaftsebene eingeführt werden.

(6) Die chemische Zusammensetzung des Rauchs ist komplex und hängt unter anderem von der verwendeten Holzart, dem Verfahren zur Raucherzeugung, dem Wassergehalt des Holzes und der Temperatur sowie der Sauerstoffkonzentration während der Raucherzeugung ab. Geräucherte Lebensmittel geben generell Anlass zu Bedenken in gesundheitlicher Hinsicht, insbesondere in Bezug auf das mögliche Vorhandensein polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoffe. Da Raucharomen aus Rauch hergestellt werden, der einer Fraktionierung und Reinigung unterzogen wird, wird die Verwendung von Raucharomen generell als weniger gesundheitsbedenklich angesehen als der traditionelle Räucherprozess. Bei den Sicherheitsbewertungen muss jedoch die vielseitigere Verwendungsmöglichkeit von Raucharomen im Vergleich zum herkömmlichen Räuchern berücksichtigt werden.

(7) Diese Verordnung behandelt Raucharomen im Sinne der Richtlinie 88/388/EWG. Die Erzeugung dieser Raucharomen beginnt mit der Kondensierung des Rauchs. Der kondensierte Rauch wird üblicherweise durch physikalische Prozesse in ein wässriges Primärrauchkondensat, eine wasserunlösliche Teerphase hoher Dichte und eine wasserunlösliche ölige Phase getrennt. Die wasserunlösliche ölige Phase ist ein Nebenprodukt und für die Herstellung von Raucharomen ungeeignet. Die Primärrauchkondensate und Fraktionen der wasserunlöslichen Teerphase hoher Dichte, die so genannten „Primärteerfraktionen“, werden gereinigt, um die gesundheitsschädlichsten Rauchkomponenten zu beseitigen. Danach können sie unbeschadet spezifischerer Gemeinschaftsvorschriften für die Verwendung als solche in oder auf Lebensmitteln oder für die Produktion daraus hergestellter Raucharomen geeignet sein, die durch entsprechende physikalische Weiterverarbeitung gewonnen werden, wie etwa durch Extraktion, Destillation, Konzentration durch Verdampfen, Absorption oder Membranseparation, und durch die Zugabe von Lebensmittelzutaten, sonstigen Aromen, Lebensmittelzusatzstoffen oder Lösungsmitteln.

(8) Der Wissenschaftliche Lebensmittelausschuss kam zu dem Schluss, dass angesichts der großen physikalischen und chemischen Unterschiede von Raucharomen zur Aromatisierung von Lebensmitteln ein einheitliches Verfahren der Sicherheitsbewertung nicht möglich ist, so dass sich die toxikologische Bewertung auf die Sicherheit einzelner Rauchkondensate konzentrieren sollte. Entsprechend dieser Empfehlung sollte diese Verordnung eine wissenschaftliche Bewertung von Primärrauchkondensaten und Primärteerfraktionen, im Folgenden „Primärprodukte“ genannt, hinsichtlich der Sicherheit ihrer Verwendung als solche und/oder für die Produktion daraus hergestellter Raucharomen, die zur Verwendung in oder auf Lebensmitteln bestimmt sind, vorsehen.

(9) Hinsichtlich der Bedingungen für die Herstellung stützt sich diese Verordnung auf die Ergebnisse des Wissenschaftlichen Lebensmittelausschusses in seinem Bericht über Raucharomen vom 25. Juni 19935, in dem verschiedene Bedingungen für die Herstellung und die Informationen genannt werden, die für eine Bewertung der Raucharomen erforderlich sind, die in oder auf Lebensmitteln verwendet werden oder verwendet werden sollen. Dieser Bericht basierte wiederum auf dem Bericht des Europarats über „Health aspects of using smoke flavours as food ingredients“ (Gesundheitsaspekte der Verwendung von Raucharomen als Lebensmittelzutaten)6. Er enthält ferner eine nicht erschöpfende Liste von Holzarten, die als eine Beispielliste von für die Herstellung von Raucharomen geeigneten Holzarten angesehen werden kann.

(10) Auf der Grundlage einer Sicherheitsbewertung sollte die Erstellung einer Liste derjenigen Primärprodukte vorgesehen werden, die für die Verwendung als solche in oder auf Lebensmitteln und/oder für die Herstellung von Raucharomen zur Verwendung in oder auf Lebensmitteln innerhalb der Gemeinschaft zugelassen werden. In dieser Liste sollten die Primärprodukte klar beschrieben und die Bedingungen für ihre Verwendung sowie das Datum, ab dem die Zulassungen gelten, angegeben werden.

(11) Zum Zweck der Harmonisierung sollte die durch die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit7 eingesetzte Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (die „Behörde“) die Sicherheitsbewertungen durchführen.

(12) An die Sicherheitsbewertung für ein spezifisches Primärprodukt sollte sich eine Risikomanagemententscheidung hinsichtlich der Aufnahme des Produkts in die Gemeinschaftsliste zugelassener Primärprodukte anschließen. Diese Entscheidung sollte nach dem Regelungsverfahren erlassen werden, damit eine enge Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten gewährleistet ist.

(13) Es ist angezeigt, dass die Person (der „Antragsteller“), die Primärprodukte oder daraus hergestellte Raucharomen in Verkehr bringen möchte, alle notwendigen Informationen für die Sicherheitsbewertung vorlegen sollte. Der Antragsteller sollte ferner ein validiertes Probenahme- und Nachweisverfahren für die Primärprodukte zur Kontrolle der Einhaltung der Bestimmungen dieser Verordnung vorschlagen. Falls erforderlich, sollte die Kommission nach Einholung des wissenschaftlich-technischen Rates der Behörde Qualitätskriterien für diese Analyseverfahren erlassen.

(14) Da sich bereits zahlreiche Raucharomen in den Mitgliedstaaten auf dem Markt befinden, sollte der Übergang zu einem gemeinschaftlichen Zulassungsverfahren reibungslos gestaltet werden und nicht zu Beeinträchtigungen des bestehenden Marktes für Raucharomen führen. Dem Antragsteller sollte eine ausreichende Frist für die Vorlage der für die Sicherheitsbewertung der Produkte erforderlichen Informationen bei der Behörde eingeräumt werden. Daher sollte ein bestimmter Zeitraum (im Folgenden „erste Phase“ genannt) festgelegt werden, in dem der Antragsteller der Behörde die Informationen für bereits bestehende Primärprodukte vorlegen sollte. Antrage auf Zulassung neuer Primärprodukte können ebenfalls während der ersten Phase eingereicht werden. Die Behörde sollte alle Anträge für bestehende wie neue Primärprodukte, für die während der ersten Phase ausreichende Informationen vorgelegt wurden, unverzüglich prüfen.

(15) Nach Abschluss der Sicherheitsbewertung aller Primärprodukte, für die während der ersten Phase ausreichende Informationen vorgelegt wurden, sollte die Kommission die gemeinschaftliche Positivliste erstellen. Um faire und gleiche Bedingungen für alle Antragsteller zu schaffen, sollte diese erstmalige Erstellung der Liste in einem einzigen Schritt erfolgen. Nach der erstmaligen Erstellung der Liste zugelassener Primärprodukte sollte die Möglichkeit bestehen, nach der Sicherheitsbewertung durch die Behörde weitere Primärprodukte durch Beschluss der Kommission aufzunehmen.

(16) Wann immer die Bewertung durch die Behörde ergibt, dass ein vorhandenes Raucharoma, das bereits in den Mitgliedstaaten auf dem Markt ist, ein erhebliches Risiko für die menschliche Gesundheit darstellt, sollte dieses Produkt unverzüglich vom Markt genommen werden.

(17) Die Artikel 53 und 54 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 sehen Verfahren für Sofortmaßnahmen bei Lebensmitteln mit Ursprung in der Gemeinschaft oder bei aus Drittländern eingeführten Lebensmittein vor. Sie erlauben es der Kommission, solche Maßnahmen in Situationen zu ergreifen, in denen Lebensmittel wahrscheinlich eine ernste Gefahr für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt darstellen und in denen diese Gefahr sich durch Maßnahmen der betreffenden Mitgliedstaaten allein nicht zufrieden stellend beherrschen lässt.

(18) Es ist notwendig, die Lebensmittelunternehmer, die Primärprodukte oder daraus hergestellte Raucharomen verwenden, zu verpflichten, Verfahren zu erarbeiten, mit denen in jeder Phase des Inverkehrbringens eines Primärprodukts oder eines daraus hergestellten Raucharomas überprüft werden kann, ob das Produkt nach dieser Verordnung zugelassen ist und ob die Bedingungen für seine Verwendung eingehalten werden.

(19) Um bestehenden und neuen Primärprodukten einen gleichwertigen Marktzugang zu sichern, sollte eine Übergangsfrist eingeräumt werden, in der nationale Maßnahmen in den Mitgliedstaaten anwendbar bleiben.

(20) Die Anpassung der Anhänge dieser Verordnung an den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt sollte vorgesehen werden.

(21) Die zur Durchführung dieser Verordnung erforderlichen Maßnahmen sollten gemäß dem Beschluss 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse8 erlassen werden –

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:


1

ABl. C 262 E vom 29.10.2002, S. 523.

2

ABl. C 85 vom 8.4.2003, S. 32.

3

Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 5. Juni 2003 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 9. Oktober 2003.

4

ABl. L 184 vom 15.7.1988, S. 61. Geändert durch die Richtlinie 91/71/EWG der Kommission (ABl. L 42 vom 15.2.1991, S. 25).

5

Berichte des Wissenschaftlichen Lebensmittelausschusses, 34. Reihe, S. 1–7.

6

Council of Europe Publishing, 1992, Neudruck 1998, ISBN 92-871-2189-3.

7

ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1.

8

ABl. L 184 vom 17.7.1999, S. 23.