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Verordnung (EU) 2015/2283 des Europäischen Parlaments und des Rates über neuartige Lebensmittel, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 1852/2001 der Kommission

Vom 25. November 2015

(ABl. 2015 Nr. L 327/1), zul. geänd. durch Art. 8 der VO (EU) 2019/1381 vom 20.6.2019 (ABl. 2019 Nr. L 231/1)
Änderungshistorienicht-amtliches Inhaltsverzeichnis

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION –

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 114,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses1,

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren2,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1) Der freie Verkehr mit unbedenklichen und gesunden Lebensmitteln ist ein wichtiger Aspekt des Binnenmarktes und trägt wesentlich zur Gesundheit und zum Wohlergehen der Bürger und zur Wahrung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Interessen bei. Unterschiede zwischen nationalen Gesetzesvorschriften bei der Bewertung der Sicherheit und der Zulassung neuartiger Lebensmittel können den freien Verkehr mit diesen Lebensmitteln behindern und dadurch Rechtsunsicherheit und unfaire Wettbewerbsbedingungen schaffen.

(2) Bei der Durchführung der Unionspolitik im Lebensmittelbereich muss sowohl für Transparenz als auch für ein hohes Niveau beim Schutz der Gesundheit des Menschen und der Interessen der Verbraucher sowie für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes gesorgt werden. Gemäß dem Vertrag über die Europäische Union (EUV) zählen ein hohes Niveau beim Umweltschutz und die Verbesserung der Umweltqualität zu den Zielen der Union. Es ist von großer Bedeutung, dass diese Ziele in allen einschlägigen Rechtsvorschriften der Union berücksichtigt werden, auch in dieser Verordnung.

(3) Das für Lebensmittel geltende Unionsrecht findet auch auf in der Union in Verkehr gebrachte neuartige Lebensmittel, einschließlich der aus Drittländern eingeführten neuartigen Lebensmittel, Anwendung.

(4) Neuartige Lebensmittel sind in der Union durch die Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates3 und die Verordnung (EG) Nr. 1852/2001 der Kommission4 geregelt. Die entsprechenden Bestimmungen müssen aktualisiert werden, um das derzeitige Genehmigungsverfahren zu vereinfachen und den neuesten Entwicklungen im Unionsrecht sowie dem technologischen Fortschritt Rechnung zu tragen. Die Verordnungen (EG) Nr. 258/97 und (EG) Nr. 1852/2001 sollten aufgehoben und durch die vorliegende Verordnung ersetzt werden.

(5) Für technologische Zwecke bestimmte Lebensmittel und genetisch veränderte Lebensmittel, die bereits durch andere Unionsvorschriften geregelt sind, sollten nicht unter die vorliegende Verordnung fallen. Folgende Lebensmittel sollten daher vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen sein: genetisch veränderte Lebensmittel gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates5, Lebensmittelenzyme gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1332/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates6, ausschließlich als Zusatzstoffe verwendete Lebensmittel gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates7, Lebensmittelaromen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1334/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates8 und Extraktionslösungsmittel gemäß der Richtlinie 2009/32/EG des Europäischen Parlaments und des Rates9.

(6) Die bestehende Begriffsbestimmung für neuartige Lebensmittel gemäß der Verordnung (EG) Nr. 258/97 sollte klarer formuliert und durch einen Verweis auf die allgemeine Begriffsbestimmung für Lebensmittel gemäß der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates10 aktualisiert werden.

(7) Damit die Kontinuität mit den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 258/97 gewährleistet ist, sollte eines der Kriterien für die Einstufung von Lebensmitteln als neuartige Lebensmittel weiterhin sein, dass sie vor dem Datum des Inkrafttretens der genannten Verordnung, das heißt dem 15. Mai 1997, in der Union nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurden. Verwendung in der Union sollte sich auch auf eine Verwendung in den Mitgliedstaaten beziehen, ungeachtet ihres jeweiligen Beitrittszeitpunkts.

(8) Der Anwendungsbereich dieser Verordnung sollte sich grundsätzlich nicht vom Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 258/97 unterscheiden. Aufgrund der wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen seit 1997 ist es jedoch angebracht, die Kategorien der Lebensmittel, die als neuartige Lebensmittel eingestuft werden, zu überprüfen, klarer zu beschreiben und zu aktualisieren. Diese Kategorien sollten ganze Insekten und Teile davon umfassen. Es sollte unter anderem Kategorien für Lebensmittel mit neuer oder gezielt modifizierter Molekularstruktur sowie für Lebensmittel, die aus von Tieren, Pflanzen, Mikroorganismen, Pilzen oder Algen gewonnenen Zell- oder Gewebekulturen erzeugt wurden, für Lebensmittel, die aus Mikroorganismen, Pilzen oder Algen erzeugt wurden, und für Lebensmittel, die aus Materialien mineralischen Ursprungs erzeugt wurden, geben. Ferner sollte eine Kategorie für Lebensmittel eingeführt werden, die aus mithilfe nicht herkömmlicher Vermehrungsverfahren gewonnenen Pflanzen erzeugt werden, wenn diese Verfahren bedeutende Veränderungen der Zusammensetzung oder Struktur des Lebensmittels bewirken, die seinen Nährwert, seine Verstoffwechselung oder seinen Gehalt an unerwünschten Stoffen beeinflussen. Die Begriffsbestimmung für neuartige Lebensmittel kann auch Lebensmittel umfassen, die aus bestimmten Mizellen oder Liposomen bestehen.

(9) Neue Technologien für Lebensmittelherstellungsverfahren können sich auf die Lebensmittel und somit auf deren Sicherheit auswirken. Daher sollte in dieser Verordnung außerdem festgelegt werden, dass ein Lebensmittel als neuartiges Lebensmittel eingestuft werden sollte, wenn es mit einem vor dem 15. Mai 1997 nicht für die Lebensmittelherstellung in der Union verwendeten Herstellungsverfahren hergestellt wurde, das bedeutende Veränderungen seiner Zusammensetzung oder Struktur bewirkt, die seinen Nährwert, seine Verstoffwechselung oder seinen Gehalt an unerwünschten Stoffen beeinflussen.

(10) Damit für ein hohes Niveau beim Schutz der Gesundheit des Menschen und der Interessen der Verbraucher gesorgt wird, sollten auch Lebensmittel, die aus technisch hergestellten Nanomaterialen bestehen, als neuartige Lebensmittel gemäß dieser Verordnung anzusehen sein. Der Begriff „technisch hergestellte Nanomaterialien“ wird derzeit in der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates11 definiert. Aus Gründen der Einheitlichkeit und Kohärenz muss dafür gesorgt werden, dass es im Bereich des Lebensmittelrechts nur eine einzige Begriffsbestimmung für technisch hergestellte Nanomaterialien gibt. Diese Verordnung ist der angemessene Rechtsrahmen für eine derartige Begriffsbestimmung. Daher sollte die Begriffsbestimmung für technisch hergestellte Nanomaterialien sowie die damit verbundene Übertragung von Befugnissen auf die Kommission in der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 gestrichen und durch einen Verweis auf die Begriffsbestimmung in dieser Verordnung ersetzt werden. Darüber hinaus sollte in der vorliegenden Verordnung festgelegt werden, dass die Kommission die in der vorliegenden Verordnung enthaltene Begriffsbestimmung für technisch hergestellte Nanomaterialien mittels delegierter Rechtsakte an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt oder die auf internationaler Ebene vereinbarten Begriffsbestimmungen anpassen sollte.

(11) Vitamine, Mineralstoffe und andere Stoffe für die Verwendung in Nahrungsergänzungsmitteln gemäß der Richtlinie 2002/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates12 und der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates13 oder in Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung, Getreidebeikost und andere Beikost, Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke und Tagesrationen für gewichtskontrollierende Ernährung gemäß der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates14 sollten ebenfalls gemäß der vorliegenden Verordnung bewertet werden, wenn die darin enthaltene Begriffsbestimmung für neuartige Lebensmittel auf sie zutrifft.

(12) Wenn bei der Herstellung von Vitaminen, Mineralstoffen und anderen Stoffen, die gemäß der Richtlinie 2002/46/EG, der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 oder der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 verwendet werden, ein vor dem 15. Mai 1997 für die Lebensmittelherstellung in der Union nicht übliches Verfahren angewandt worden ist, das bedeutende Veränderungen der Zusammensetzung oder Struktur des Lebensmittels bewirkt, die seinen Nährwert, seine Verstoffwechselung oder seinen Gehalt an unerwünschten Stoffen beeinflussen, oder wenn diese Vitamine, Mineralstoffe und anderen Stoffe aus technisch hergestellten Nanomaterialien bestehen oder diese enthalten, sollten sie ebenfalls als neuartige Lebensmittel gemäß der vorliegenden Verordnung angesehen werden und zuerst gemäß dieser Verordnung und danach gemäß den einschlägigen besonderen Rechtsvorschriften neu bewertet werden.

(13) Ein Lebensmittel, das vor dem 15. Mai 1997 ausschließlich als Nahrungsergänzungsmittel oder in Nahrungsergänzungsmitteln gemäß der Definition in der Richtlinie 2002/46/EG verwendet wurde, sollte auch nach diesem Datum mit demselben Verwendungszweck in der Union in Verkehr gebracht werden dürfen, da es nicht als neuartiges Lebensmittel gemäß der vorliegenden Verordnung betrachtet werden sollte. Eine solche Verwendung als Nahrungsergänzungsmittel oder in Nahrungsergänzungsmitteln sollte jedoch bei der Beurteilung der Frage, ob das Lebensmittel vor dem 15. Mai 1997 in der Union in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurde, keine Berücksichtigung finden. Andere Verwendungen des Lebensmittels – nicht in Nahrungsergänzungsmitteln oder nicht als Nahrungsergänzungsmittel – sollten deshalb unter die vorliegende Verordnung fallen.

(14) Lebensmittel aus geklonten Tieren sind in der Verordnung (EG) Nr. 258/97 geregelt. Es ist von wesentlicher Bedeutung, dass es im Übergangszeitraum nach dem Ende des Geltungszeitraums der Verordnung (EG) Nr. 258/97 nicht zu Rechtsunsicherheit in Bezug auf das Inverkehrbringen von Lebensmitteln aus geklonten Tieren kommt. Solange keine besonderen Rechtsvorschriften für Lebensmittel aus geklonten Tieren in Kraft getreten sind, sollten diese Lebensmittel daher als Lebensmittel aus Tieren, die mithilfe nicht herkömmlicher Zuchtverfahren gewonnen wurden, in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen und gemäß dem geltenden Unionsrecht für den Endverbraucher angemessen gekennzeichnet werden.

(15) Das Inverkehrbringen von traditionellen Lebensmitteln aus Drittländern in der Union sollte erleichtert werden, wenn die bisherige Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel in einem Drittland nachgewiesen ist. Solche Lebensmittel sollten in mindestens einem Drittland mindestens 25 Jahre lang als Bestandteil der üblichen Ernährung einer bedeutenden Anzahl von Personen verwendet worden sein. Die Verwendung für andere Zwecke, das heißt nicht als Lebensmittel oder nicht im Rahmen einer normalen Ernährung, sollte nicht in die Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel einfließen.

(16) Lebensmittel aus Drittländern, die in der Union als neuartige Lebensmittel gelten, sollten nur als traditionelle Lebensmittel aus Drittländern betrachtet werden, wenn sie aus der Primärproduktion gemäß der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 stammen, unabhängig davon, ob es sich um verarbeitete oder unverarbeitete Lebensmittel handelt.

(17) Lebensmittel, die ausschließlich aus Lebensmittelzutaten hergestellt werden, die nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen, insbesondere im Zuge einer Änderung der verwendeten Lebensmittelzutaten oder ihrer Anteile, sollten nicht als neuartige Lebensmittel betrachtet werden. Lebensmittelzutaten, die verändert wurden und die in der Union bisher nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurden, sollten hingegen in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen.

(18) Die Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates15 gilt in Fällen, in denen ein Produkt bei Berücksichtigung all seiner Merkmale sowohl als „Arzneimittel“ im Sinne jener Richtlinie als auch als Produkt gemäß den Begriffsbestimmungen der vorliegenden Verordnung eingestuft werden kann. In diesem Fall kann ein Mitgliedstaat, wenn er gemäß der Richtlinie 2001/83/EG feststellt, dass ein Produkt ein Arzneimittel ist, das Inverkehrbringen eines solchen Produkts im Einklang mit dem Unionsrecht einschränken. Darüber hinaus gelten Arzneimittel nicht als Lebensmittel im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und sollten daher nicht in den Anwendungsbereich der vorliegenden Verordnung fallen.

(19) Die Feststellung, ob ein Lebensmittel vor dem 15. Mai 1997 in der Union in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurde, sollte sich auf Informationen stützen, die von den Lebensmittelunternehmern vorgelegt und, falls notwendig, durch andere in den Mitgliedstaaten verfügbare Informationen ergänzt werden. Die Lebensmittelunternehmer sollten die Mitgliedstaaten konsultieren, wenn sie nicht sicher sind, welchen Status Lebensmittel haben, die sie in Verkehr bringen wollen. Für die Fälle, in denen keine Informationen über die Verwendung für den menschlichen Verzehr vor dem 15. Mai 1997 vorliegen oder die vorliegenden Informationen unzureichend sind, sollte ein einfaches, transparentes Verfahren zur Erfassung solcher Informationen eingeführt werden, in das die Kommission, die Mitgliedstaaten und die Lebensmittelunternehmer eingebunden sind.

(20) Neuartige Lebensmittel sollten nur zugelassen und verwendet werden, wenn sie den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien genügen. Neuartige Lebensmittel sollten sicher sein; falls ihre Sicherheit nicht bewertet werden kann und wissenschaftliche Unsicherheiten fortbestehen, kann das Vorsorgeprinzip angewandt werden. Die Verbraucher sollten durch die Verwendung neuartiger Lebensmittel nicht irregeführt werden. Daher sollte sich das neuartige Lebensmittel, sofern es ein anderes Lebensmittel ersetzen soll, nicht derart von diesem Lebensmittel unterscheiden, dass es für den Verbraucher in Bezug auf die Ernährung weniger vorteilhaft wäre.

(21) Neuartige Lebensmittel sollten nur in Verkehr gebracht oder für die menschliche Ernährung verwendet werden, wenn sie in eine Liste der neuartigen Lebensmittel aufgenommen wurden, die in der Union in Verkehr gebracht werden dürfen (im Folgenden „Unionsliste“). Daher sollte mittels eines Durchführungsrechtsakts die Unionsliste erstellt werden, in die alle neuartigen Lebensmittel aufgenommen werden, die bereits gemäß der Verordnung (EG) Nr. 258/97 genehmigt oder gemeldet wurden, gegebenenfalls mit den bestehenden Genehmigungsbedingungen. Diese Liste sollte transparent und leicht zugänglich sein.

(22) Ein neuartiges Lebensmittel sollte gemäß den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien und Verfahren durch Aktualisierung der Unionsliste zugelassen werden. Dazu sollte ein effizientes, zeitlich begrenztes und transparentes Verfahren eingeführt werden. Bei traditionellen Lebensmitteln aus Drittländern mit einer Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel sollten die Antragsteller ein schnelleres und vereinfachtes Verfahren für die Aktualisierung der Unionsliste wählen können, wenn keine hinreichend begründeten Einwände bezüglich der Sicherheit vorgebracht werden.

(23) Zudem sollten Kriterien für die Bewertung der möglichen Sicherheitsrisiken im Zusammenhang mit neuartigen Lebensmitteln klar definiert und festgelegt werden. Damit neuartige Lebensmittel einheitlich wissenschaftlich bewertet werden, sollte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (im Folgenden „Behörde“) solche Bewertungen vornehmen. Die Behörde sollte im Rahmen des Verfahrens für die Zulassung eines neuartigen Lebensmittels und die Aktualisierung der Unionsliste aufgefordert werden, ein Gutachten abzugeben, wenn die Aktualisierung voraussichtlich Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen hat. In ihrem Gutachten sollte die Behörde unter anderem alle Eigenschaften des neuartigen Lebensmittels, die ein Sicherheitsrisiko für die Gesundheit des Menschen darstellen können, sowie mögliche Folgen für besonders empfindliche Bevölkerungsgruppen prüfen. Die Behörde sollte vor allem prüfen, ob für die Bewertung der Sicherheit die modernsten Testmethoden angewandt werden, wenn ein neuartiges Lebensmittel aus technisch hergestellten Nanomaterialien besteht.

(24) Für die Kommission und die Behörde sollten spezifische Fristen gelten, damit die Anträge reibungslos bearbeitet werden. In bestimmen Fällen sollten die Kommission und die Behörde jedoch das Recht haben, diese Fristen zu verlängern.

(25) Die Behörde oder die Kommission kann den Antragsteller auffordern, für die Risikobewertung bzw. das Risikomanagement ergänzende Informationen zur Verfügung zu stellen. Stellt der Antragsteller innerhalb der von der Behörde oder der Kommission nach Anhörung des Antragstellers festgelegten Frist die angeforderten ergänzenden Informationen nicht zur Verfügung, kann sich dies auf das Gutachten der Behörde oder auf eine mögliche Zulassung und Aktualisierung der Unionsliste auswirken.

(26) In ihrem Gutachten zu einem Leitfaden für die Risikobewertung bei der Anwendung der Nanowissenschaft und Nanotechnologien in der Lebens- und Futtermittelkette („Guidance on the risk assessment of the application of nanoscience and nanotechnologies in the food and feed chain“) vom 6. April 2011 vertrat die Behörde im Zusammenhang mit der möglichen Verwendung von Nanomaterialien in Lebensmitteln die Ansicht, dass nur wenige Informationen zur Toxikokinetik und Toxikologie technisch hergestellter Nanomaterialien verfügbar sind und dass die derzeitigen Methoden für Toxizitätstests möglicherweise methodisch geändert werden müssen. Die Empfehlung des Rates der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) vom 19. September 2013 zur Sicherheitsprüfung und Bewertung von hergestellten Nanomaterialien kam zu dem Schluss, dass die Verfahren für die Prüfung und Bewertung herkömmlicher Chemikalien im Allgemeinen für die Bewertung der Sicherheit von Nanomaterialien geeignet sind, möglicherweise jedoch an die besonderen Eigenschaften von Nanomaterialien angepasst werden müssen. Damit die Sicherheit von in Lebensmitteln verwendeten Nanomaterialien besser bewertet werden kann und den bisherigen Wissenslücken in Bezug auf Toxikologie und Analytik begegnet werden kann, werden möglicherweise Testmethoden, einschließlich Methoden ohne Tierversuche, benötigt, die den besonderen Merkmalen von technisch hergestellten Nanomaterialien Rechnung tragen.

(27) Werden Versuchsmethoden für Nanomaterialien angewendet, sollte ihre wissenschaftliche Eignung für Nanomaterialien durch den Antragsteller begründet werden; gegebenenfalls sind die technischen Anpassungen zu erläutern, die vorgenommen wurden, um den spezifischen Eigenschaften dieser Materialien gerecht zu werden.

(28) Wenn ein neuartiges Lebensmittel zugelassen und in die Unionsliste aufgenommen wird, sollte die Kommission die Befugnis haben, Vorschriften für die Überwachung nach dem Inverkehrbringen einzuführen, um sicherzustellen, dass bei der Verwendung des zugelassenen neuartigen Lebensmittels die in der Risikobewertung der Behörde festgelegten Grenzen eingehalten werden. Vorschriften für die Überwachung nach dem Inverkehrbringen werden daher möglicherweise durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, Informationen über das tatsächliche Inverkehrbringen des Lebensmittels zu erfassen. In jedem Fall sollten die Lebensmittelunternehmer die Kommission von allen einschlägigen Informationen über die Sicherheit der Lebensmittel in Kenntnis setzen, die sie in Verkehr gebracht haben.

(29) Neue Technologien und Innovationen in der Lebensmittelherstellung sollten begünstigt werden, weil dadurch die Umweltfolgen der Lebensmittelherstellung gemindert werden könnten, sich die Ernährungssicherung verbessern ließe und den Verbrauchern Vorteile entstehen könnten, solange für das hohe Niveau beim Verbraucherschutz gesorgt wird.

(30) Um die Forschung und Entwicklung und damit Innovationen in der Agrar- und Ernährungsindustrie zu fördern, ist es unter bestimmten Umständen angebracht, die Investitionen, die von den Antragstellern bei der Beschaffung von zur Unterstützung eines Antrags in Bezug auf neuartige Lebensmittel gemäß dieser Verordnung vorgelegten Informationen und Daten getätigt werden, zu schützen. Die neu gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse und die proprietären Daten, die zur Unterstützung eines Antrags auf Aufnahme eines neuartigen Lebensmittels in die Unionsliste vorgelegt werden, sollten geschützt werden. Solche Daten und Informationen sollten während eines begrenzten Zeitraums nicht ohne die Zustimmung des ursprünglichen Antragstellers von einem späteren Antragsteller verwendet werden dürfen. Der Schutz der von einem Antragsteller vorgelegten wissenschaftlichen Daten sollte andere Antragsteller nicht daran hindern, auf der Grundlage ihrer eigenen wissenschaftlichen Daten oder mit Verweis auf geschützte Daten, für den der ursprüngliche Antragsteller seine Zustimmung erteilt hat, die Aufnahme eines neuartigen Lebensmittels in die Unionsliste zu beantragen. Die dem ursprünglichen Antragsteller gewährte Datenschutzfrist von insgesamt fünf Jahren sollte jedoch nicht verlängert werden, weil späteren Antragstellern Datenschutz gewährt wird.

(31) Wenn ein Antragsteller für dasselbe Lebensmittel den Schutz der wissenschaftlichen Daten gemäß dieser Verordnung und der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates16 beantragt, sollten die jeweiligen Datenschutzzeiträume gleichzeitig laufen können. Daher sollten Vorkehrungen für eine vom Antragsteller beantragte Aussetzung des Zulassungsverfahrens für ein neuartiges Lebensmittel getroffen werden.

(32) Tierversuche sollten in Übereinstimmung mit der Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates17 ersetzt, verringert oder weiterentwickelt werden. Daher sollte im Anwendungsbereich dieser Verordnung eine doppelte Durchführung von Tierversuchen wenn möglich verhindert werden. Durch dieses Ziel können mögliche Bedenken im Bereich Tierschutz und ethische Vorbehalte in Bezug auf Anträge von neuartigen Lebensmitteln verringert werden.

(33) Neuartige Lebensmittel unterliegen den allgemeinen Kennzeichnungsbestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 sowie anderen einschlägigen Kennzeichnungs-vorschriften des Lebensmittelrechts der Union. In bestimmten Fällen kann es erforderlich sein, zusätzliche Kennzeichnungsangaben vorzusehen, vor allem hinsichtlich der Beschreibung, der Herkunft, der Zusammensetzung oder der Bedingungen für die beabsichtigte Verwendung des Lebensmittels, damit sichergestellt ist, dass die Verbraucher umfassend über die Art und die Sicherheit des neuartigen Lebensmittels informiert sind, insbesondere mit Blick auf besonders empfindliche Bevölkerungsgruppen.

(34) Für Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit neuartigen Lebensmitteln in Berührung zu kommen, gilt die Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates18 und die auf deren Grundlage erlassenen spezifischen Maßnahmen.

(35) In Übereinstimmung mit ihrer Strategie für eine bessere Rechtsetzung sollte die Kommission eine Ex-post-Bewertung der Durchführung dieser Verordnung vornehmen und dabei besonders auf die neuen Verfahren für traditionelle Lebensmittel aus Drittländern eingehen.

(36) Bei Anträgen, die aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 258/97 gestellt wurden und über die vor dem Geltungsbeginn der vorliegenden Verordnung noch nicht endgültig entschieden wurde, sollten die Verfahren für die Risikobewertung und Zulassung nach Maßgabe der vorliegenden Verordnung abgeschlossen werden. Zudem sollte ein Lebensmittel, das nicht in den Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 258/97 fällt, vor dem Geltungsbeginn dieser Verordnung rechtmäßig in Verkehr gebracht wurde und in den Geltungsbereich dieser Verordnung fällt, im Prinzip weiterhin in Verkehr bleiben dürfen, bis die Verfahren für die Risikobewertung und Zulassung aufgrund dieser Verordnung abgeschlossen sind. Um für einen reibungslosen Übergang auf die vorliegende Verordnung zu sorgen, sollten daher Übergangsbestimmungen festgelegt werden.

(37) Diese Verordnung steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden.

(38) Die Mitgliedstaaten sollten Vorschriften über die bei einem Verstoß gegen diese Verordnung zu verhängenden Sanktionen erlassen und alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass die Sanktionen angewandt werden. Diese Sanktionen sollten wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.

(39) Um die Ziele dieser Verordnung zu erreichen, sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, gemäß Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union delegierte Rechtsakte hinsichtlich der Anpassung der Begriffsbestimmung für technisch hergestellte Nanomaterialien an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt oder die auf internationaler Ebene vereinbarten Begriffsbestimmungen zu erlassen. Es ist von besonderer Bedeutung, dass die Kommission im Zuge ihrer Vorbereitungsarbeit angemessene Konsultationen, auch auf der Ebene von Sachverständigen, durchführt. Bei der Vorbereitung und Ausarbeitung delegierter Rechtsakte sollte die Kommission dafür sorgen, dass die einschlägigen Dokumente dem Europäischen Parlament und dem Rat gleichzeitig, rechtzeitig und auf angemessene Weise übermittelt werden.

(40) Die Kommission sollte Durchführungsbefugnisse erhalten, damit die einheitliche Durchführung dieser Verordnung sichergestellt ist, wenn die Unionsliste durch Hinzufügen eines traditionellen Lebensmittels aus einem Drittland, bei dem keine begründeten Sicherheitseinwände erhoben wurden, aktualisiert wird.

(41) Der Durchführungsrechtsakt, mit dem die Unionsliste erstmalig erstellt wird, sollte im Rahmen des Beratungsverfahrens erlassen werden, da die Liste nur für neuartige Lebensmittel gilt, die bereits einer Bewertung der Sicherheit unterzogen, rechtmäßig hergestellt und in der Union in Verkehr gebracht wurden und bisher gesundheitlich unbedenklich waren. In allen anderen Fällen sollte für den Erlass von Durchführungsrechtsakten das Prüfverfahren angewendet werden.

(42) Da die Ziele dieser Verordnung, vor allem die Festlegung von Vorschriften für das Inverkehrbringen von neuartigen Lebensmitteln in der Union, von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, sondern auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 EUV verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Verwirklichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus –

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:


1

ABl. C 311 vom 12.9.2014, S. 73.

2

Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 28. Oktober 2015 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 16. November 2015.

3

Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten (ABl. L 43 vom 14.2.1997, S. 1).

4

Verordnung (EG) Nr. 1852/2001 der Kommission vom 20. September 2001 mit Durchführungsbestimmungen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates für die Information der Öffentlichkeit und zum Schutz der übermittelten Informationen (ABl. L 253 vom 21.9.2001, S. 17).

5

Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel (ABl. L 268 vom 18.10.2003, S. 1).

6

Verordnung (EG) Nr. 1332/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Lebensmittelenzyme und zur Änderung der Richtlinie 83/417/EWG des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1493/1999 des Rates, der Richtlinie 2000/13/EG, der Richtlinie 2001/112/EG des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 258/97 (ABl. L 354 vom 31.12.2008, S. 7).

7

Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Lebensmittelzusatzstoffe (ABl. L 354 vom 31.12.2008, S. 16).

8

Verordnung (EG) Nr. 1334/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Aromen und bestimmte Lebensmittelzutaten mit Aromaeigenschaften zur Verwendung in und auf Lebensmitteln sowie zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1601/91 des Rates, der Verordnungen (EG) Nr. 2232/96 und (EG) Nr. 110/2008 und der Richtlinie 2000/13/EG (ABl. L 354 vom 31.12.2008, S. 34).

9

Richtlinie 2009/32/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Extraktionslösungsmittel, die bei der Herstellung von Lebensmitteln und Lebensmittelzutaten verwendet werden (ABl. L 141 vom 6.6.2009, S. 3).

10

Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1).

11

Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1924/2006 und (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission, der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr. 608/2004 der Kommission (ABl. L 304 vom 22.11.2011, S. 18).

12

Richtlinie 2002/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Juni 2002 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Nahrungsergänzungsmittel (ABl. L 183 vom 12.7.2002, S. 51).

13

Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen sowie bestimmten anderen Stoffen zu Lebensmitteln (ABl. L 404 vom 30.12.2006, S. 26).

14

Verordnung (EU) Nr. 609/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juni 2013 über Lebensmittel für Säuglinge und Kleinkinder, Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke und Tagesrationen für gewichtskontrollierende Ernährung und zur Aufhebung der Richtlinie 92/52/EWG des Rates, der Richtlinien 96/8/EG, 1999/21/EG, 2006/125/EG und 2006/141/EG der Kommission, der Richtlinie 2009/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnungen (EG) Nr. 41/2009 und (EG) Nr. 953/2009 der Kommission (ABl. L 181 vom 29.6.2013, S. 35).

15

Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 67).

16

Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (ABl. L 404 vom 30.12.2006, S. 9).

17

Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2010 zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere (ABl. L 276 vom 20.10.2010, S. 33).

18

Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 2004 über Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen, und zur Aufhebung der Richtlinien 80/590/EWG und 89/109/EWG (ABl. L 338 vom 13.11.2004, S. 4).